Gnade ist ein Lehrer

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Denn erschienen ist die Gnade Gottes, allen Menschen zum Heil. Sie erzieht uns dazu, der Gottlosigkeit und den Begierden der Welt abzuschwören und besonnen, gerecht und fromm zu leben in dieser Weltzeit. Ti 2:11-12

Wie können wir Menschen lehren, ein Gott wohlgefälliges Leben zu leben?

Die Pharisäer wussten wie: Regeln! Und da sie nur das Alte Testament kannten, war es sehr leicht für sie, das so zu sehen. Über 600 Gesetze, mit 10, die herausstachen, wie eine Verfassung. So taten sie, was wir heute oft tun: sie fügten Anhänge hinzu. Sie errichteten einen Zaun um die Brüstung des Gesetzes, die Brüstung, die uns vor der Grube bewahren soll. Ihr Gedanke: Wenn wir niemanden auch nur in die Nähe der Sünde lassen, wie sollen sie dann sündigen? Religion: religare – zurückbinden.

Und sie gaben den Leuten Rituale. Ständig zu wiederholende Handlungen. Wenn einer beschäftigt ist mit Ritualen und Traditionen, hat er nicht die Zeit zu sündigen. Religion: relegere – wieder und wieder lesen.

Und dann kam Jesus und zerstörte diese zwei Strategien. Seine Interpretation des Gesetzes war so anders. Statt äusserliche Anwendung wollte er mehr: nur daran zu denken, das Gesetz zu übertreten, war schon es zu übertreten.

Wir kennen Teenager. Wenn wir ihnen Regeln geben, wird das Verbotene erst recht interessant. Z.B. hat die USA ein grösseres Alkoholproblem unter Jugendlichen als manche europäische Länder, weil verbotene Früchte besser schmecken. Mehr und mehr Regeln aufzustellen lässt uns mehr über Wege nachdenken, sie zu umgehen – und so das Gesetz zu brechen.

Geschäftigkeit mit ständig Wiederkehrendem lässt unsere Gedanken abschweifen. Erwischt.

Heute haben viele Pastoren und Christen die gleichen Rezepte gegen die Sünde. Geh mehr zur Kirche. Tu das nicht, mach das nicht. An das glauben wir nicht, und an jenes gerade auch nicht. Ja, an was glaubt ihr dann?

Überall Regeln, um uns davon abzuhalten, Fehler zu machen. Sie definieren, was Sünde sein soll. Definieren, welche Sünde grösser ist als andere. Definieren, wer Schuld ist. Definieren einen Prozess, der zu durchlaufen ist, um jemanden wieder herzustellen – meist bestehend aus mehr Regeln und sich wiederholenden Handlungen.

Aber dann schau Dich mal um: nie gab es in der Gemeinde so viele Scheidungen. Seien wir ehrlich: die Kirche kennt man nicht als einen Ort der Freiheit, sondern als den Ort frei von Spass.

Ich sprach vorher von Gesetzesanhängen. In den USA ist etwas Interessantes im Gang. Die US-Verfassung hat solche Anhänge. In ihnen sind die Bürgerrechte verzeichnet. Und gerade die stehen unter Beschuss, speziell seit 9/11 und mehr noch unter diesem Präsidenten. Ein Spiegel der Probleme der Gemeinde.

Es ist schwierig, sehr schwierig, Menschen der Freiheit zu führen. Viel einfacher ist es, sie zu kontrollieren. Die einfachste Regierungsform ist der freundliche Diktator. Jesus wird oft als freundlicher Diktator gesehen – und er wäre es, wenn er seine Regierung auf Gesetzen und Regeln und deren Durchsetzung aufbauen würde.

Aber Gott gab uns einen freien Willen. Nur, um ihn uns wieder wegzunehmen, wenn’s schwierig wird? Wenn wir an den alten Bund denken, scheint es genau so zu sein. Gesetze um Gott zu gefallen. Gesetze, die niemand halten konnte. Und trotzdem war David ein Mann nach Gottes Herzen, der alle Gesetze brach und doch lebte!

Auch wenn wir zum Schluss kommen würden, dass Gott im alten Bund unsere rechte und Freiheiten einschränkte, war da doch Jesus und das Zeitalter der Gnade. Ein Zeitalter, in dem wir gerecht gesprochen sind durch Glaube und Gnade.

Wenn Gott sich nicht verändert, warum diese Veränderung? Und wenn Gott einer ist, warum dieses schizophrene Verhalten?

Wir versuchen, dieses Dilemma genau auf die gleiche Art zu lösen wie die Galater – indem wir eine Gesetzessammlung schaffen für den neuen Bund. So dass beide, Vater und Sohn, uns durch Einschränkung von persönlicher Freiheit zu lehren suchen.

Nun, wenn das die Art Gottes wäre, warum nicht gleich die ganze Strecke gehen und uns einfach dazu zwingen zu glauben – ganz ohne freien Willen? Er könnte das.

Aber Paulus hat die Galater ja zurechtgewiesen, als sie sich zurück unter das Gesetz flüchteten. Das Gesetz ist für Sünder, damit diese wissen, was Sünde ist. Und wir? Für uns ist Gnade der Lehrer. Ein Lehrer, der uns beibringt, Abstand zu nehmen von einem weltlichen Lebensstil.

Beide, Vater und Sohn wählen den harten Weg. Beide wählen die Gnade. David hätte gesteinigt werden sollen, aber durch seine Busse, als Nathan ihn mit seiner Sünde konfrontierte, fand er Gnade bei Gott.. Weil sein Herz sauber war. Wir leben aus der Gnade.

Sicher, dass ist schwierig. Wie diszipliniere ich Menschen, die gefallen sind? Wie halte ich sie vom Fallen ab, bevor es soweit kommt?

Führe sie in eine intime Beziehung mit Gott. Liebe sie. Liebe gebiert immer Liebe. Liebe sie ohne Vorbedingungen – Agape. Daraus entsteht antwortende Liebe – Philadelphia. Und durch eine reifende Beziehung mit dem, der Gnade gibt, werden sie sich umdrehen und anderen Agape zeigen. Und die Welt wird erkennen, dass ihr Gottes Kinder seid, weil ihr einander liebt.

Gnade und die daraus resultierende Akzeptanz und Vergebung lässt Menschen zu Gott rennen, wenn sie Probleme haben, statt sich zu verstecken. Natürlich, das ist ein Prozess. Durch Liebe leiten braucht Zeit. Durch Angst leiten zeigt schnelle erste Resultate, aber wir müssen die Angst das ganze Leben lang aufrecht erhalten. Wer mit Liebe geleitet wird, kann zu einem reifen Sohn Gottes heranwachsen, der wiederum mit Liebe führt. Und wahre Liebe treibt alle Angst aus. Keine Regeln mehr. Nichts, das mich zurückbindet. Nur ein williges Herz, das sich nichts so sehr wünscht, wie dem Vater zu gefallen.

Bitte, versteh mich nicht falsch. Ich glaube an Strukturen in der Gemeinde, und wenn ich den Vater liebe, bin ich auch einverstanden mit der Art, wie er mit mir arbeiten möchte – durch die Gaben des fünffachen Dienstes, durch Busse gegenüber denen, die ich verletzt habe. ja, sogar durch disziplinarische Massnahmen. Und natürlich sind sich ständig wiederholende Handlungen Teil eines solchen Lebensstils. Tägliches, ja ständiges Beten. Nicht die Treffen der Gemeinde versäumen. Das Wort lesen. Gemeinschaft mit den Gläubigen. Gutes tun. Oft hören wir diese Dinge und haben den falschen Eindruck, dass dies Voraussetzungen des Vaters für unsere Rettung sind. Ich sage es mal wie Paulus: auf keinen Fall. Diese Werkzeuge wurden für uns gegeben. Intimität ist nicht möglich ohne Kommunikation. Und wir brauchen andere, sonst geben wir auf. Sie ermutigen uns, weiterzumachen, aber auch, uns zu verändern.

Gnade ist ein Lehrer. Hast Du das schon mal erlebt? Dann schreib doch einen Kommentar.

 

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