Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich. Joh 14:6
Als ich sieben Jahre alt war, nahm uns unsere Mutter mit in eine Gemeinde von Jesus People. Ein Jahr später war diese Phase in ihrem Leben vorbei. Die Menschen hatten sie enttäuscht.
Mein Schrecken der Kindheit
Während dieser Zeit hörte ich vieles aus der Bibel. Etwas davon verfolgte mich über Jahre hinweg. In den Johannesbriefen ist vom Antichristen die Rede:
Denn viele Verführer sind hinausgegangen in die Welt, die sich nicht zu dem im Fleisch kommenden Jesus Christus bekennen; das ist der Verführer und der Antichrist. 2Jo 1:7
Die Auslegung davon war: viele, die in der Gemeinschaft der Gläubigen waren, verliessen diese. Diese waren der Antichrist. Gleichzeitig wurde aus der Offenbarung gelehrt, dass das Biest der Antichrist sei, der in der Zukunft kommen würde. Für Jahre war ich überzeugt, dass ich der Antichrist sei. Ich war in der Kirche gewesen, und war es nicht mehr. Ich musste es sein.
Mein doch noch irgendwie kindliches Gemüt erfasste nicht, dass ich nicht der einzige war, der dieser Beschreibung genügte. Doch das ist nicht einmal das Wichtigste! Wichtig ist, dass das Biest in der Offenbarung nie Antichrist genannt wird. Antichrist ist, wer gegen Christus ist. Und das sind viele, und es gab sie zu allen Zeiten.
Schon als Kind war ich ein Denker. Ich liebte es, Dingen auf den Grund zu gehen. Damit meine ich nicht, dass ich wie andere Kinder elektronische Geräte auseinandergenommen hätte, nur um zu verstehen, wie sie funktionieren. Ich wollte den Prinzipien auf den Grund gehen. Ich las und dachte nach.
Was für Antworten habe ich?
Auf viele Fragen hatte kaum jemand eine Antwort. Ein paar Beispiele gefällig?
- Wie kann die Wissenschaft sagen, dass die Welt Millionen Jahre alt sei, und die Bibel von einer Schöpfung in 7 Tagen sprechen, welche etwa 6000 Jahre zurückliegt?
- Warum sind wir sicher, dass die Offenbarung in der Zukunft liegt?
- Warum werden die gleichen Geschichten in den Evangelien verschieden erzählt?
Vielleicht denkst Du, dass diese Fragen unmöglich sind für einen Siebenjährigen. Du hast mich halt zu dieser Zeit nicht gekannt.
Die Antworten, die ich auf diese Fragen bekam, waren sehr unbefriedigend.
Ein Beispiel gefällig? Die Wissenschaft brauche viel Zeit, um ohne Gott schaffen zu können, was er in kurzer Zeit gemacht hätte. Und Gott hätte, um uns zu verwirren und seinen Spass zu haben, entsprechende Hinweise in der Natur versteckt, die nun als Beweise für die wissenschaftlichen Theorien herhalten würden. Oder ob ich mir schon mal überlegt hätte, auf welches Alter Adam den Baum geschätzt hätte, den er am Montag nach dem Sündenfall gefällt hätte? Trotz aller Jahrringe sei der Baum nur wenige Tage älter gewesen als Adam selber.
Dabei wäre es so einfach gewesen.
Eine mögliche Antwort auf die zweite Frage wäre: Es gibt dazu verschiedene Theorien. Einige davon postulieren, dass die Offenbarung zum grössten Teil in der Zukunft liegt. Andere wiederum sehen sie als fast vollständig erfüllt.
Diese Antwort überlässt es dem Individuum, nach der Wahrheit zu forschen. Doch was bedeutet das?
Verschiedene Blickwinkel
Die dritte Frage wurde mir beantwortet, als wir im Deutschunterricht die moderne deutsche Literatur behandelten.
Brecht’s Strassenszene, bei der ein Zeuge einer Menschenmenge vorspielt, wie sich ein Unfall ereignet hat, bei der aber verschiedene Zeugen verschiedene Wahrnehmungen wiedergeben, hat mir gezeigt, dass die gleichen Geschehnisse auf verschiedene Menschen unterschiedlich wirken können. Für alle aber ist das Erzählte wahr.
Es gibt die faktische Wahrheit. Ein Ereignis hat sich auf eine bestimmte Art zugetragen. Ein sehr modernes Verständnis von Wahrheit. Erst seit der Aufklärung wird Wahrheit als Ansammlung beweisbarer Fakten verstanden und wahrgenommen. Erst die Wissenschaft hat Wahrheit auf empirisch oder logisch erklärbare Fakten reduziert, mit dem Anspruch des Beweises oder der Wiederholbarkeit.
Im Altertum wurde Wahrheit anders verstanden.
Für die Griechen war Wahrheit die Übereinstimmung von Objekt und Denken. Dies ist sicher ein Vorläufer des heutigen Denkens. Doch war es den Griechen durchaus bewusst, dass manches nur Schein war. Man nehme als Beispiel das Höhlengleichnis von Plato.
Für die Hebräer allerdings war Wahrheit etwas absolut anderes. Es war Gott. Er ist Wahrheit. Diese Wahrheit muss nicht mit dem Denken erfassbar, noch durch Fakten erklärbar, noch durch unsere Sinne – ob unterstützt mit Hilfsmitteln oder nicht – beobachtbar sein. Sie zeigt sich in seinem Wort und Handeln.
Wahrheit im griechischen Sinne ist also die Beobachtung eines Zustandes, im hebräischen aber das Handeln aufgrund von Erkenntnis Gottes.
Die Wahrheit der Bibel
Zusätzlich sind die Hebräer Geschichtenerzähler. Eine Geschichte, welche den Charakter und das Handeln Gottes verdeutlicht, portiert Wahrheit – ob sie nun so geschah oder überhaupt geschah.
Ob also eine Geschichte, welche ein Schreiber der Evangelien von Jesus erzählte, in allen Details stimmt – Zeitablauf, Anzahl Personen, Ort -, ist nicht wichtig, ja diese Frage wird gar nicht gestellt. Sie könnte frei erfunden sein, solange sie den Charakter und das Handeln Jesu korrekt wiedergibt. Nicht die Fakten seines Handelns, den Geist. Das Prinzip. Das, was mein Handeln unter ähnlichen und doch so anderen Umständen prägen soll.
Insofern ist es nicht möglich, die Bibel absolut wörtlich zu lesen. Es ist nicht möglich, anhand von Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Zeugenberichten auf die Falschheit des Wahrheitsanspruches der Bibel zu schliessen.
Die Bibel ist die Offenbarung der Wahrheit. Die Wahrheit aber ist eine Person. Wie heisst es in der Offenbarung:
Dies ist eine Offenbarung von Jesus Christus. Off 1:1a
Glaube ich, dass die Geschichten der Evangelien wahr sind? Im hebräischen Sinne, absolut. Sie zeigen den Charakter und das Handeln Jesu. Im griechischen Sinne ja, denn sie geben die Beobachtung der Geschehnisse durch die Schreiber wieder. Im modernen Sinne? Kaum. Die Fakten verschiedener Darstellungen widersprechen sich. Eine wissenschaftlich genaue, beweisbare, geschichtlich korrekte Wiedergabe liegt nicht vor.
Hat denn nun die Postmoderne recht? Gibt es gar keine absolute Wahrheit? Mitnichten. Da die Wahrheit eine Person ist – Jesus Christus -, existiert sie und ist absolut. Da wir diese Wahrheit aber nicht direkt und vollumfänglich, abstrakt und ganzheitlich begreifen können, wurde sie uns mit menschlichen Mitteln nahegebracht. Storytelling. Konkrete Geschichten zeigen uns, wie die Wahrheit ist. Jede Geschichte eine Facette.
Wie sagt es der Vers?
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Joh 14:6
Er ist der Weg. Daraus folgt: die Wahrheit ist ein Weg, ja sogar der Weg. Weg der Offenbarung. Weg der Erkenntnis. Weg des Kennenlernen. Ein Er-Leben.
Der Weg zur Wahrheit
Für lange Zeit war die Wahrheit nur für Eingeweihte erkennbar. Ganz im Sinne Platos hat die katholische Kirche eine Priesterkaste eingesetzt, welche das Perfekte versteht und dem gewöhnlichen Menschen auslegt. Durch die Reformation aber wurde klar, dass jeder eine persönliche Beziehung mit Gott braucht, basierend auf dem Wort Gottes.
Das Leben zeigt uns, dass wir es aber nicht allein schaffen. Gott hat uns Eltern und Mitmenschen gegeben, die uns helfen, das Leben zu meistern. Und er gab uns einen Geist, eine Seele und einen Körper, damit wir selber das unsrige dazutun können. Er gab uns sein Wort und seinen Geist. Gemeinsam erforschen wir die Wahrheit. Jesus Christus.
Es sind keine vorfabrizierte, einfache Antworten.
Es ist Glauben.
Was ist nun also der Glaube? Er ist das Vertrauen darauf, dass das, was wir hoffen, sich erfüllen wird, und die Überzeugung, dass das, was man nicht sieht, existiert. Heb 11:1
Es ist Vertrauen. Es ist Überzeugung. Englisch conviction, von convince. Latein con–vincere: für etwas gewinnen.
Es ist ein Weg. Ein Prozess. Eine Suche. Ein Finden. Ein Streben. Ein Kämpfen. Ein Denken, Fühlen, Wollen, Handeln. Ein Zweifeln und Fragen. Ein Kennenlernen. Ein Leben.
Welche Fragen hast Du? Führen sie Dich zur Wahrheit?