Für viele ist die Bibel das diktierte Wort Gottes. Jedes Wort bedeutungsschwanger, jeder Vers aussagekräftig, jedes Kapitel verpflichtend. Wörtlich.
Ich selber habe eine Reise unternommen in den letzten Jahren und viele neue Facetten genau dieser Bibel entdeckt, ja ein neues Verständnis für sie entwickelt.
In einer ersten veröffentlichten Version dieses Artikels habe ich versucht, diese Reise sehr konzentriert und ergebnisorientiert wiederzugeben. Dank dem Feedback einer erst kürzlich gefundenen „Reisebegleiterin“ wurde mir klar, dass ich ausführlicher, persönlicher, prozessorientierter an die Sache herangehen muss, damit Du als Leser davon profitieren kannst.
Diese Reise, diese veränderte Wahrnehmung der Bibel beim Lesen und das sich daraus ergebende neue Gottesverständnis sind spannend, lehrreich, herausfordernd, schwierig, beängstigend, erfüllend, befreiend, auch wenn es mir zeitweise den Teppich unter den Füssen wegzog.
Dafür darf ich jetzt eine neue Freiheit und Authentizität schnuppern, die mir so früher nicht bekannt war, ja von denen ich nicht wusste, dass sie möglich sind.
Im Gegensatz zu meinem ersten Ansatz werde ich diesmal mehrere Artikel über diese Reise schreiben. Am Einfachsten ist es, wenn Du den Blog abonnierst, dann verpasst Du die nächste Episode nicht.
Den ursprünglichen Artikel lasse ich stehen – vielleicht macht er ja nach der Lektüre dieser Reihe von Artikeln etwas mehr Sinn.
Doch von vorne:
Der Ausgangspunkt – sort of
1968 war ich 5 Jahre alt, und meine Mutter 26. Warum dieses Jahr? In diesem Jahr brach postmodernes Gedankengut in dieser Welt mit Wucht durch – die 68er-Revolution.
Während mein Vater ein leistungsorientiertes, modernes Leben führte, entwickelten sich in meiner Mutter langsam postmoderne Gedanken. Ihre Situation als Ehepaar, aber auch die neu gewonnenen Einsichten meiner Mutter führten zur Scheidung im Jahr 1976. Aber auch zu einem antiautoritären Erziehungsstil.
Meine Verweigerung nach der Scheidung brachte mir 6 Jahre Internat ein. Ein traditionelles, katholisches Internat, eine moderne Schule, ein postmodernes Zuhause. Heute würde ich sagen: ein typisches Abbild unserer Gesellschaft.
Schon sehr früh lernte ich die Vorzüge – und Schattenseiten – aller dieser Weltbilder kennen. Ich lernte mich in diesen Welten zu bewegen, sie zu integrieren, mit ihnen zu spielen, ohne selber einer dieser Weltanschauungen anzugehören. Allerdings wusste ich auch nicht so recht, wo ich hingehörte.
Ich hatte früh schon Kontakt zu christlichen Gemeinden. Als Protestant getauft, ein „Jesus People“-Hauskreis, als ich 7 war, eine evangelikale Kirche von 12-14, ein katholisches Internat ab 14, ein Jahr in den USA bei Quäkern, Lutheranern und liberalen Juden mit 17/18. Die ganze Kirchengeschichte, etwas durcheinander gewirbelt.
Die Frage, wo ich hingehöre, hat mich mit 22 in eine charismatische Gemeinde geführt, wo ich traditionell mein Leben Jesus übergab.
Kurze Zeit darauf hatte ich ein Erlebnis, das ich heute nur mit einem veränderten Bewusstseinszustand erklären kann: ich erlebte eine tiefe Einheit mit Gott. Alles schien sich aufzulösen, ja es war sogar so, als ob zwischen Gott und mir kein Unterschied gemacht werden könnte. Wir waren eins, mit vielen anderen. Ich hatte eine Erfahrung dessen, was ich als Leib Christi beschreiben möchte, auch wenn dies, genauso wie die Beschreibung des Erlebnisses, dem Erlebnis nicht gerecht werden kann. Es gab und gibt keine Worte, höchstens Metaphern.
Als ich zurück kam, war mir klar: ich hatte eine Aufgabe in der Welt, diese Einheit zu verwirklichen.
Meine Entscheidung
Ich hatte eine Heimat gefunden. Mein Bedürfnis, irgendwo dazuzugehören, wurde befriedigt. Ich schien angekommen zu sein.
Daher interpretierte ich das Erlebnis im Rahmen der traditionellen Weltanschauung christlicher Freikirchen. Für mich war es eine Berufung in den vollzeitlichen Dienst. Meine Gedanken dazu:
Das Salböl, und damit die Autorität zu leiten und Veränderungen zu initieren, floss von Aarons Haupt zum Bart bis zu den Füssen. Ich konnte also nur an der Verwirklichung meiner Vision arbeiten, wenn ich in Leiterschaft war.
Leiterschaft hiess zu dieser Zeit: Pastor, Missionar, Administrator. Nach dem Ausschlussverfahren blieb nur Pastor: Administration ist tödlich für mich, und daher bin ich sehr unzuverlässig in diesen Dingen. Und ich wollte nicht nach Peru, dem Missionsfeld unserer Gemeinde.
So entschied ich mich dazu, ein traditioneller Pastor zu werden. und damit begann die Reise, die ich gerne beschreiben möchte.
Die ersten Schritte
Wie habe ich es am Anfang dieses Artikels ausgedrückt? Für viele ist die Bibel das diktierte Wort Gottes. Jedes Wort bedeutungsschwanger, jeder Vers aussagekräftig, jedes Kapitel verpflichtend. Wörtlich.
Damit kämpfte ich. Mein modernes Weltbild, das ich von meinem Vater und durch meine humanistische Ausbildung erhalten hatte, hatte damit so seine Probleme:
Wissenschaft und Bibel schienen sich zu widersprechen. Hier beginnt mein ursprünglicher Artikel, indem er zwei Erwartungshaltungen oder Strategien beschreibt, wie man damit umgehen kann.
Als ich versuchte, die Bibel und die Wissenschaft abzugleichen oder einander wieder nahe zu führen, sah ich zwei Möglichkeiten:
In der Ersten gehe ich davon aus, dass die Bibel, so wie ich sie in meiner Weltanschauung interpretiere, recht hat.
Doch was ist dann mit Einstein, mit der Evolutionstheorie, Big Bang und Schöpfungsgeschichte? Wie lässt sich eine weltweite Flut erklären, die geologisch nicht nachweisbar ist – wohl aber ein Zeitalter, lange vor dem biblischen Alter der Erde, in dem es weltweit Fluten gegeben hat, wenn auch über eine längere Zeit verteilt?
Die Wissenschaft bewegt sich. Immer neue Theorien werden entwickelt. Ich erwarte also, dass die Wissenschaftler mit der Zeit zur Erkenntnis gelangen, dass die Bibel recht hat.
So scheint die Quantenphysik aufzuzeigen, dass das Universum nicht nur aus Materie besteht, sondern, wenn schon, aus Energie in verschiedenen Formen, oder aus Geist, wie man es nennen könnte.
Manchmal habe ich festgestellt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch missbraucht werden. So wurde das Higgs-Bosom, das die Wissenschaft „Gottesteilchen“ genannt hat, zum Beweis für die Existenz Gottes. Dabei ist es nur eine weitere Erscheinungsart von Materie bzw. Energie.
Und trotzdem hat Paulus darauf hingewiesen, dass wir Gott selbst in der Natur erkennen können. Also muss die Wissenschaft gegen das biblische Weltbild konvergieren.
Beobachtet habe ich allerdings genau das Gegenteil: die Auslegung der Bibel bewegte sich, wenn auch langsam, auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu.
Ein Beispiel ist der jahrelange, ja Jahrhunderte dauernde Prozess der Kirche, ein helio-zentrisches Weltbild zu akzeptieren.
Doch etwas viel grundlegenderes geschah: Wir übernahmen den Wahrheitsbegriff der Moderne, um die Bibel zu analysieren.
Die Moderne definiert etwas als wahr, wenn es den Fakten entspricht. Tönt plausibel. Dinge, die man beweisen kann, die man empirisch oder experimentell nachvollziehen kann, sind wahr.
Doch dieser Wahrheitsbegriff entspricht nicht dem Wahrheitsbegriff, den die Schreiber der Bibel anwendeten.
Für sie war wahr, was Leben hervorbrachte.
Das hat tiefgreifende Konsequenzen. Doch diesen Reiseabschnitt beschreibe ich in meinem nächsten Artikel. Ich hoffe, Du begleitest mich weiter.