Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben

Lesedauer 5 Minuten

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich. Joh 14:6

Was wäre, wenn Jesus hier einen Prozess beschreibt? Gehen wir dem mal auf die Spur.

Der Mensch entwickelt sich über die Jahrtausende. Damit meine ich nicht die Evolution nach Darwin. Der Mensch erweitert seinen Horizont. Er ist fähig, immer komplexere Sachverhalte zu durchdringen, zu verstehen, und entsprechend zu handeln. Damit meine ich nicht Wissen, Verstand oder Intelligenz. Ich spreche die Anpassung an sich verändernde Lebensumstände und die Lösungsfähigkeit von Problemen an, die früher gar nicht existierten.

So gab es immer schon Genies. Wer würde vor Aristoteles nicht den Hut ziehen, Platon bewundern? Aber auch Thomas von Aquin, Galileo Galilei oder Gauss waren nicht ohne.

Die Weltanschauung eines Abraham unterschied sich jedoch gewaltig von der eines Mose, David, Paulus, Luther.

Wie nun könnte dieses Wort die Entwicklung des Menschen aufnehmen?

Ich bin der Weg

Es gab eine prärationale Zeit. Eine Zeit, in der der Mensch Dinge noch nicht verstandesmässig anging.

Was waren seine Treiber zu dieser Zeit?

  • Instinkte, das Bedürfnis, zu überleben. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Kain und Abel.
  • Das Bedürfnis nach Sicherheit in der Gruppe. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Abraham oder die Stammesorientierung in der Zeit der Richter.
  • Egoismus, das Bedürfnis nach Macht. Ein Beispiel dafür ist die Gefangenschaft in Ägypten.

In dieser Zeit folgten die Menschen dem Weg, der ihnen gezeigt wurde. Sie taten dies instinktiv, blieben auf dem Weg der Sicherheit, und aus machtpolitischen Motiven, aber noch nicht Überlegungen.

Es war in etwa so wie in der Pfadfinder-Nachtübung. Wir lernten, dem Pfad in der Nacht zu folgen. Dabei hatten wir kein Licht und lernten auf die richtigen Hinweise in der Dunkelheit zu vertrauen, wie z.B. dem hellen Kontrast des Wegen zum Dunkel des Waldes. Unsere Beleuchtung war natürlich, die Sterne und der Mond.

Erst später kamen Hilfsmittel hinzu: die Taschenlampe. Ich bin ein Licht auf Eurem Weg. Wir hatten uns entwickelt und den Umgang mit Hilfsmitteln – Fackel, Taschenlampe – gelernt und konnten uns so mit grösserer Sicherheit bewegen.

Diese neue Entwicklung führte uns in eine neue Zeit. Zusammen mit dem Problem, das machtgesteuerte Menschen immer mehr Macht an sich rissen und es notwendig war, einen Rahmen der Ordnung zu schaffen.

Ich bin die Wahrheit

Das Gesetz, welchem sich auch die Herrscher unterwerfen mussten, mit den entsprechenden Strukturen und Machtapparaten half, Tyrannen zu bändigen und Ordnung zu schaffen.

Eine solche Ordnung, ein solch übergeordnetes Gesetz brauchte natürlich eine übergeordnete Instanz und einen Vertreter oder Vermittler hier auf Erden.

Diese Instanz gab sich und seinen Willen als ordnende Kraft zu erkennen. Begriffe wie Schuld und Sühne, Moral, richtig und falsch, Gut und Böse entstanden. Doch wie misst man Gut und Böse, wie definiert man, was moralisch ist? Man definiert die eine Wahrheit.

Diese Wahrheit ist gottgegeben. Der Priester verkündet sie, die Bibel ist diese Wahrheit. Das Wort Gottes, Jesus Christus, wurde Fleisch und nach seiner Auffahrt, vor allem aber nach der Reformation, wurde die Bibel das moralgebende Wort Gottes. Es steht geschrieben.

Der Mensch begreift, das instinktives, sicherheitsbedachtes, machterhaltendes Handeln nicht weiter zielführend ist. Seine Augen wurden geöffnet, der Horizont erweitert, die Befreiung vom Tyrannen geschenkt. Ein solches soziales System zu entwerfen und zu verstehen braucht rationales Denken – ein riesiger Schritt für die Menschheit. Das Gesetz des einen wahren Gottes war nun der Antrieb der weiteren Entwicklung.

Ich bin die Wahrheit 2

Und der Mensch entwickelte sich weiter. Der neue Bund wurde gegeben, aber lange nicht verstanden und ausgelaufen. Ein neues Potential, das sich langsam und mit Rückfällen entfaltete.

Eine Entwicklung war es, die Quelle der Wahrheit zu hinterfragen. Der Mensch startete die Reise in die Mündigkeit und begann, selbstständig zu denken. Warum sollte er den Instanzen glauben, gab es doch derer viele, die sich widersprachen? Warum konnte Gott seine Wahrheit nicht eindeutig weitergeben? Die Fragen einer Menschheit als Teenager.

Die Wahrheit musste demnach erforscht werden, und wir hatten dafür die notwendigen Mittel. Doch welche waren das? Descartes begann damit, alles anzuzweifeln. Waren die Dinge, die er als real empfand, wirklich real oder nur Darstellungen seiner Vorstellung?

Er kam zum Schluss, dass es der Zweifel selbst war und seine eigene Fähigkeit zu zweifeln, die real waren, brauchte er sie doch, um den Dingen Sinn zu geben. Cogito ergo sum. Ich denke oder zweifle, also bin ich. So definiert sich die Vernunft der Aufklärung als die Fähigkeit, den Wahrnehmungen des Verstands, der Emotionen und der Sinne Bedeutung zu geben.

Wahr war nun, was bewiesen werden konnte.

Ich bin die Wahrheit 3

Doch hier war nicht Schluss. Meine Beweisführung und daher Wahrheit unterscheidet sich von Ihrer, und wer bin ich, dass ich Ihre Wahrheit anzweifle könnte. Ich selbst bin ja in meinem Wissen und meiner Erkenntnisfähigkeit beschränkt. Gerade dass wir verschiedene rationale Meinungen haben können, beweist, dass wir als Menschen nicht den Zugriff auf die absolute Vernunft haben, diese vielleicht gar nicht existiert. Wahrheit ist also immer subjektiv.

Lange war also die Wahrheit der Antrieb der Menschheit zur Weiterentwicklung. Erst wollte man durch Gehorsam gegenüber dieser einen gottgegebenen Wahrheit in seine Bestimmung kommen. Dann wollte man die Wahrheit durch die Mittel der Vernunft erkennen. Und schliesslich kapitulierte man vor der eigenen Unfähigkeit, absolute Wahrheit zu erkennen, sondern diese immer nur durch die eigenen Filter zu interpretieren – und begann, die Existenz der absoluten Wahrheit anzuzweifeln.

Der Antrieb Wahrheit hatte sein Momentum verloren. Wie kann ich Ihre Wahrheit anzweifeln und ihr meine gegenüberstellen? Das wäre Hochmut meinerseits, nähme ich doch an, dass meine Wahrheit in unserer Beziehung absolut sei. Ohne die Reibung der subjektiven Wahrheiten entsteht aber auch kein Wachstum, weil ich meine Wahrheit nicht an Ihrer messe.

Ich bin das Leben

Was aber ist der neue Antrieb? Jesus ist das Leben. Wahr ist, was Leben bringt.

Wahrheit wird also nicht abgeschafft. Wie könnte man, denn es gibt auch heute noch Menschen, welche genau diesen Antrieb brauchen in ihrer persönlichen Entwicklung, bilden wir die Entwicklung der Menschheit doch in unserem Leben nach und durchleben die Phasen noch heute.

Aber Wahrheit ist nicht mehr definiert im Sinne von wahr oder falsch oder von durch Experimente verifizier- und prüfbar. Zusätzlich wurde die Ohnmacht der subjektiven Wahrheit entmachtet.

Die Fragen an z.B. einen Text in der Bibel sind nicht mehr: was richtet Gott hier an uns alle, oder ist das wirklich so geschehen?

Die Reaktion ist nicht mehr: für mich bedeutet das etwas anderes, aber Du darfst gerne glauben, was Du glaubst.

Die Frage ist: wie verstehst Du diesen Text, und wie hilft er Dir, auf die Probleme des Lebens zu reagieren und die Umstände zu verbessern?

Oder eben: was bringt Leben?

Zum Vater

Die nächste Erkenntnis ist die Einheit mit den Vater, das Ziel. Dieser Prozess, und nur dieser Prozess, bei dem Jesus uns gemäss unserer Weltanschauung, unserem Erkenntnishorizont erst als Weg, dann als Wahrheit, und dann als Leben begegnet, führt uns in die Einheit mit dem Vater. Wobei es weniger auf die Ausschliesslichkeit des Prozesses, als auf das Angebot ankommt.

Jesu Aufruf: Kommt mit mir. Ich habe Euch in meinem Leben gezeigt, wie es geht, und ich stehe Euch zur Verfügung als Licht auf dem Weg, als Wahrheit, als Vernunft, als ganz persönlicher Freund und Begleiter, und als das Leben. Denn Du, ich und der Vater sind eins. Du bist ich. Gehe diesen Weg. Entdecke diese Wahrheit. Schaffe dieses Leben.

Beitrag veröffentlicht

in

von