Was ist ein Lehrer?

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Jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger im Himmelreich geworden ist, ist wie ein Hausherr, der aus seinem reichen Vorrat Neues ebenso hervorholt wie Altes.

Mat 13:52

Was ist ein Lehrer?

Ich denke, dass jedes Zeitalter, aber auch die verschiedenen Abschnitte eines Menschenlebens unterschiedliche Lehrer braucht.

In Stammeskulturen wird es hauptsächlich Mentoring geben. Man zeigt dem Nachwuchs, wie etwas getan werden muss, indem man es vorlebt und vorzeigt. Der Mentor ist ein erfahrenes Vorbild. Wir sehen das heute noch für Kleinkinder, wo Väter und Mütter intuitiv Vorbilder sind für so manches, vom Laufen und Sprechen bis zu Gewohnheiten und Weltanschauung. Aber auch in der Berufslehre und in der Gemeinde kommt dieses Modell zum Zug.

Könige allerdings haben Berater. Wenn der Berater etwas sagt, muss es nicht umgesetzt werden. Der Beratene hat die Freiheit, sich anders zu entscheiden. Wir sehen das in sehr vielen biblischen Geschichten, z.B. bei der Trennung des Nordreichs Israel vom Südreich Juda. Der König hörte auf die jungen Berater, nicht die erfahrenen alten Berater seines Vaters. Berater sind willkommen und der richtige Ansatz in einem Alter, in dem sich das Ego und die Eigenständigkeit, Selbständigkeit eines Kindes oder Jugendlichen entwickelt.

Klassische Lehrer sind Vertreter der Ordnung, der einen Wahrheit. Sie leiten an, interpretieren die Wahrheit mit Autorität. Ihnen wird ohne zu hinterfragen gehorcht. Selbstmotivation wird hier klein geschrieben, ja hat sich noch nicht entwickelt. Im Gegenteil, sie wird als Ungehorsam gesehen. Kinder im Schulalter sind in dieser Phase, aber auch die meist traditionell denkenden Gemeindemitglieder, welche von ihren Leitern klare Führung erwarten. Leiter sind von Gott oder der Ordnungsmacht berufen und eingesetzt.

Business Coaches können nun auf die Selbstmotivation des Gegenübers zählen. Lernende empfangen von denen, die sie als erfolgreiche Spezialisten empfinden. Erste Ansätze von Selbstreflexion entstehen und können gefördert werden. Aber es geht bei der Reflexion um Verhalten, um Effizienzsteigerung, um kognitive Fähigkeiten. Höhere Schulbildung, Berufserfahrung, junges Erwachsenenalter.

Lebensberatung, Life Coaches sind in der nächsten Phase aktiv. Hier geht es um unser Innenleben, Gefühle, Emotionen. Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten, alle Arten von esoterischer Beratung kommt ins Spiel. Es geht hauptsächlich um Harmonie und beinhaltet das ganze Leben. Postmoderne Erwachsene, Menschen in ihrer dritten Lebensphase.

Als nächstes erscheint der Begleiter oder integrale Mentor. In dieser Phase wird klar, dass das Leben chaotisch ist. Es gibt keine allgemeine Formel, keine langfristig korrekte Vorausplanung. Kleine Abweichungen in den Ausgangsparametern ergeben die unterschiedlichsten Ergebnisse. Ein Lehrer weiss nicht mehr, was geschehen wird. Seine Erfahrung wurde unter anderen Umständen erworben und ist meist bereits veraltet. Also wird er zum Begleiter, der mit seinem Gegenüber gemeinsam unterwegs ist. Er ist Sounding Board, Reflektor, Ermöglicher, hat einen anderen Fokus und deshalb eine andere Sicht und kann so ergänzen.

Wie sagt es Martin Buber?

Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas. Ich zeige Wirklichkeit, ich zeige etwas an der Wirklichkeit, was nicht oder zu wenig gesehen worden ist. Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus.
Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein Gespräch.

Martin Buber

Wer bestimmt, was ein Lehrer ist?

Es ist nicht der Lehrer allein, der bestimmt, welche Art Lehrer er ist. Es ist hauptsächlich sein Publikum.

Steht ein Lehrer vor einem traditionellen Gremium, z.B. einer Gemeinde, muss er sich bewusst sein, dass er weder Begleiter noch Berater sein kann, weil die Gemeindemitglieder einen klassischen, von Gott berufenen Lehrer der einen Wahrheit erwarten. Sie erwarten, gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben. Natürlich wird ihr Ego sich dem widersetzen, und ihre Individualität dagegen argumentieren, aber meist wird der Gehorsam siegen.

Ich wünschte mir, ein Begleiter sein zu können. Offensichtlich geht dies nicht in der Sonntagsschule, mit Kleinkindern, in der Schule oder der Lehre. Auch nicht im Gottesdienst – noch nicht.

Und doch hat Paulus genau dies beschrieben, als er den fünffachen Dienst beschrieb. Wir helfen den Gläubigen, in die Reife zu kommen und ihre Berufung auszuleben. Integral.

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