Zerstören und Pflanzen

Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreissen und einreissen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

Jeremia 1:10

Vier mal zerstören, zwei mal bauen. Die beiden Begriffe, welche aufbauend sind, kommen auch im neuen Testament vor:

Bauen steht da für das, was wir tun, wenn das Fundament gelegt ist.

Pflanzen ist das, was Paulus tat als Apostel. Andere haben begossen, und Gott gab das Wachstum.

Worum geht es hier? Den Krieg gegen Völker und Königreiche? Eigentlich nicht, denn Gott hat als „Waffe“ seine Worte gegeben.

Nicht sein Wort. Seine Worte.

Eine Frage voraus: wer sind die Völker und Königreiche? Zu Jeremias Zeit ist das einfach: die Völker rund um Israel herum, aber auch Israel und Juda selbst.

Geht es heute noch um physische Völker und Königreiche?

Ihr kämpft nicht gegen Menschen, sondern Gewalten und Fürsten, sagt uns Paulus.

Die Königreiche, von denen wir sprechen, sind also Philosophien, Denkmuster, Weltanschauungen, Strömungen. Die Völker sind deren Anhänger.

Interessanterweise steht das Wort, welches für Völker genommen wird, im biblischen Zusammenhang oft für die Nachkommen Abrahams, aber auch für die Heiden. Heute wird es von Juden verwendet, um alle Nichtjuden zu bezeichnen.

Es geht also hier, wie auch schon bei Jeremia, um Gläubige und Ungläubige, um alle Menschen. Es geht aber nicht darum, sie zu bekämpfen, zu zerstören, sondern die Denkmuster, welchen sie anhängen.

Es gibt im Alten Testament Propheten, welche zu den Völkern geschickt wurden, wie Jeremia. Andere wurden explizit zu den Israeliten oder den Juden geschickt.

Im Neuen Testament wurden einige mit dem Auftrag bedacht, die Gemeinde anzuleiten, ihr Denken zu verändern. Wir nennen sie den fünffachen Dienst.

Dabei sind Pastoren und Lehrer hauptsächlich zum Volk Gottes gesandt, Evangelisten zu den Heiden, Apostel und Propheten aber zu beiden.

Auf der anderen Seite haben alle Fünf einen Auftrag am Volk Gottes: sie in die Reife zu führen.

All dies haben wir schon an anderer Stelle ausführlich besprochen.

Warum aber bringe ich all dies in Zusammenhang mit dem Vers aus Jeremia?

Es ist genau diese Aufgabe, Gläubige in die Reife zu führen, welche ich für mich als Begabung und Berufung erkannt habe. Als Aufgabe Gottes an mich.

Dabei habe ich erkannt, dass das vorherrschende Glaubenssystem der Gemeinde dies nicht erlaubt.

Zu betoniert sind die Glaubenssätze, zu vorherrschend die Naherwartung, zu traditionell das Werteverständnis, zu exklusiv die Fokussierung auf Schuld und Gehorsam.

Gemeindemitglieder sind unreife Menschen mit zu wenig Hingabe, die eine starke Führung brauchen, um nicht zu fallen. So das Credo.

Ich habe erkannt, dass zuerst das Menschenbild und die Weltanschauung der Gläubigen selbst sich ändern muss – ändert Euer Denken -, damit es möglich wird, reife Menschen aus ihnen zu machen.

All diese betonierten Ansichten muss man ausreissen und einreissen, zerstören und verderben.

Danach kann man bauen und pflanzen.

Und dann wird die Gemeinde wieder relevant für die Gesellschaft und ein wunderbares Werkzeug Gottes.

Ein paar Beispiele:

„Unsere Werte müssen verteidigt werden.“ Eigentlich nicht. Unsere Werte sollten von uns Gläubigen, welche diese Werte vertreten, gelebt werden. Andere können wir nicht dazu zwingen. Erfolgreich gelebte Werte aber sind anziehend.

Wenn wir schon von unseren Werten sprechen: unsere Werte sind meist geprägt von Schuld und Sühne, richtig und falsch. Das Wertesystem ist dringend zu überdenken. Dahinter sollte Liebe stehen und Leben. So sollte es nur natürlich sein, dass wir alle Menschen einbeziehen und es Gott überlassen, welchen Weg er mit ihnen hat. Der Heilige Geist wird entsprechend seinen Werten an ihnen arbeiten.

Wir sollten die ersten sein, die wissen, dass Jesus niemanden zurückgewiesen hat. Sogar die Pharisäer, welche auf das Gesetz pochten, forderte er heraus und begegnete einem Nikodemus offen und einladend. Auch sollten wir wissen, dass das Gesetz nicht funktioniert. Es ist nur ein Schatten. Trotzdem versuchen wir, der Gesellschaft Gesetze aufzudrücken, und schliessen ganze Bevölkerungsgruppen aus.

Dies nur zwei Beispiele.

Ein Weiteres, und dieses Beispiel habe ich selber in diesem Artikel schon verwendet, weil es so gängig und eingängig ist. Das macht es nicht minder problematisch: Gläubige versus Ungläubige. Dieser Dualismus ist, wie jeder Dualismus, vom falschen Baum. Wer sind wir, um zu entscheiden? Vielleicht meint es Gott ja so, wenn er sagt: Ich will, dass jeder gerettet wird.

All diese Beispiele sind noch in der Phase des Niederreissens. Ich impliziere hier noch keine Antworten. Das Bauen und Pflanzen kommt erst später.

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