Das Königreich

Lesedauer 6 Minuten

Das Königreich ist wie eine Perle.

Mat 13:45

Jesus wird gefragt, wie er das Königreich beschreiben würde. Er macht das immer wieder, doch an diesem speziellen Tag verwendet er dazu unter anderem zwei ähnliche Bilder.

Zuerst sagt er, dass das Königreich wie ein Schatz sei, der in einem Acker gefunden wurde. Der Finder vergrub ihn wieder und verkaufte alles, um diesen Acker zu kaufen.

Gleich danach, als ob es eine Geschichte wäre, sagt Jesus, dass das Königreich sei wie ein Kaufmann, ein Perlenhändler. Er sah eine wunderschöne, unbezahlbare Perle und verkaufte alles, was er hatte, um diese Perle zu kaufen.

Viel ist über diese beiden Gleichnisse bereits geschrieben worden. Ich möchte heute ein paar Dinge herausbringen, die mir aufgefallen sind.

Im ersten Gleichnis scheint der Schatz das Königreich zu sein, im zweiten aber nicht die Perle, sondern der Kaufmann. Es handelt sich also um zwei Gleichnisse aus verschiedenen Perspektiven. Hier wird nicht einfach zweimal dasselbe erzählt.

Beide Geschichten aber haben vieles gemeinsam. So scheint es um eine finanzielle Transaktion zu gehen, bei der etwas von unschätzbarem Wert die Hand wechselt, und der Händler verzichtet dafür auf alles, was er hat.

Und beide Gleichnisse lösen wahrscheinlich dieselben Gefühle bei den Hörern aus, wie bei den Kaufleuten: Stolz und Freude und ein Gefühl des Erfolgs.

Doch schauen wir genauer hin.

Was bleibt dem Händler nach seinem Kauf? Im einen Fall der Schatz und der Acker, im andern Fall die Perle. Wovon lebt der Händler nun?

Der erste kann mindestens noch den Acker verkaufen oder bebauen, nachdem er den Schatz gehoben hat. Ich hoffe für ihn, dass es ein grosser, wertvoller Acker ist, denn nur schon für das Saatgut müsste er den Schatz verkaufen. Da er aber alles hingab, was er hatte, kann er wohl den Acker für denselben Preis wieder verkaufen. Ihn kostete der Handel nichts.

Der zweite Händler aber hat gar nichts mehr. Wenn er leben will, muss er seine Perle hergeben. Aber dann hat er seine Perle nicht mehr. Er verliert, was er begehrt.

Was bedeutet das nun?

Wenn im ersten Fall der Schatz das Königreich ist, dann werden wir wohl durch den Händler dargestellt. Wir geben scheinbar alles her, um das Königreich zu besitzen, aber in Wahrheit kostet es uns nichts. Wir bekommen zurück, was uns gehörte.

Wenn im zweiten Fall der Kaufmann das Königreich darstellt, dann sind wir die Perle. Das Königreich geht „all in“ und hat nachher nichts mehr. Volles Risiko. Es hält nichts zurück.

Anders gesagt: das Königreich kostet uns nichts, gibt selbst aber alles.

Ich möchte diese Auslegung aber in Frage stellen. Im Gleichnis zuvor hat Jesus die Welt mit dem Acker verglichen. Also sind wir wohl nicht der Kaufmann, sondern der Acker, und Jesus ist in beiden Fällen der Händler.

Die beiden Gleichnisse zeigen auf eine andere Art, was es heisst, dass Gott seinen Sohn gab, damit wir nicht sterben müssen.

Wir können das noch anders ausdrücken: Jesus gab alles hin, und von uns wird gar nichts erwartet als Acker zu sein.

Wir glauben, dass wir alles hingeben, weil wir uns als Kaufmann sehen, vergessen aber, dass es gar nicht um Besitz geht für uns, sondern um das pure Sein. Ein Acker ist, er besitzt nicht.

Erinnern wir uns an die bessere Übersetzung von „ich bin die Wahrheit“: ich halte nichts zurück. Jesus hält nichts zurück. Er gibt uns alle Schätze gratis, auch wenn wir meinen, so viel dafür hergeben zu müssen.

Wenn wir in dem Kapitel weiterlesen, erkennen wir, was mit dem Schatz gemeint ist, und das es niemals um eine finanzielle Transaktion ging:

Da sagte er zu ihnen: Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der für das Reich der Himmel unterrichtet ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.

Mat 13:52

Wissen, oder noch besser, Kennen – weil Erkenntnis wieder falsche Assoziationen weckt. Der Schatz ist, was wir aus der Beziehung zu Gott über ihn und uns erkannt haben. Der Schatz ist unsere Funktion, unsere Berufung: zu empfangen und zu reflektieren.

Wissen, Kennen aber kostet nichts. Nichts, dass uns daran hindern würde, weiterzuleben. Es geht hier nicht um unsere Finanzen.

Wissen, wenn geteilt, wird nicht vergeben. Wissen wird entdeckt. Wir vergessen nicht, was wir wissen, wenn wir es jemandem mitteilen.Im Gegenteil, es gräbt sich tiefer in unser Gedächtnis ein und wird ergänzt um die Erfahrung, die wir beim Teilen machen.

Der Schatz repräsentiert also unser Gedankengut in seiner ganzen Fülle.

Jemanden zu kennen und dies mit anderen zu teilen bringt Freude und Multiplikation. Und da wir alle nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, ja Kinder Gottes sind, bringt das Kennenlernen des anderen mehr Erkenntnis über Gott.

Jesus erzählt zwei weitere Gleichnisse für das Königreich.

Das Königreich ist wie ein Netz, das alle Arten von Fischen aus dem Meer zog. Die Guten wurden genommen, die Schlechten ins Feuer verworfen, so wie es am Ende der Zeit sein wird.

Wie beim Gleichnis vom Weizen und dem Unkraut im selben Kapitel geht es um die Kinder des Guten und die Kinder des Bösen.

In letzter Zeit habe ich viele Worte darauf verwandt, zu zeigen, dass damit die Denkmuster gemeint sind, denen wir anhangen. Denken wir vom Baum des Lebens her oder vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse?

Werden die Menschen in den Ofen geworfen oder die Denkmuster?

Das Unkraut wurde vom Feind, also dem Teufel gesät. Kreiert der Teufel Menschen? Nein, er sät Gedanken.

Die Engel aber sammeln alles Skandalöse und alles, was zur Gesetzlosigkeit verführt. Das sind wiederum Gedanken, Philosophien.

Das Königreich ist also keine Transaktion. Wir müssen nichts geben, damit wir erhalten, obwohl es für uns zu sein scheint, oder besser, obwohl wir glauben, es zu müssen.

Das Königreich ist sichtbar für alle mit dem rechten Denken, für alle, die den Vater kennen. Es ist verborgen für diejenigen, die ihn nicht gefunden haben. Aber der Schatz ist doch in ihnen. Denn der Acker ist die Welt.

Wir sind der Acker. In diesen Acker sät Gott Weizen und legte er den Schatz von Anbeginn an. Denken und Kennen. Der Feind, das Ego versucht, das Denken skandalös zur Gesetzlosigkeit zu verführen. Diese Gedanken aber werden jetzt, am Ende der Zeit des Alten Bundes, ausgerissen und verbrannt.

Jesus hat alles gegeben, sein Leben, und die Perle erworben. Er gab der Perle ihren Wert. Sie ist es wert, alles loszulassen. Die Perle sieht sich selbst nur als Ergebnis von Irritation und erkennt ihren eigenen Wert nicht.

Jesu Leben war das Ende der Zeit, besiegelt mit seinem Tod und dem Ende des Tempels und aller Insignien des Alten Bundes. Die Gedanken des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse werden gesiebt und verbrannt. Der Feind ist besiegt.

Wir werden langsam frei von dem Gedankengut, dass Gott irgend etwas von uns zurückhält, dass er irgendetwas von uns erwartet, bevor er uns annimmt.

Langsam erkennen wir die Umrisse des Königreichs in uns.

Wir entdecken den Schatz, der immer schon in uns war. Und das gibt uns das Verlangen, den Durst, den Wunsch nach mehr. Den Schatz voll zu besitzen, das heisst, zu ergründen, zu erkennen, zu begreifen, durchaus im wörtlichen Sinn, sogar zu teilen. Oder im Sinne des Wortes, welches für Sünde verwendet wird, wieder bewusst teilzuhaben.

Es ist vollbracht. Es war schon immer so. Das Königreich ist in uns. Wir sind Kinder Gottes. Nichts kann uns aus seinen Händen reissen, nicht einmal wir selbst.

Wir können in der Fülle dieser Erkenntnis leben, oder weiterhin daran glauben, dass wir etwas dazu beitragen müssen. Deine Wahl. Nicht dass Dich das von Gott entfernen würde. Nicht dass Du deswegen verloren gingest. Du gingest nur der Fülle von diesem Leben verlustig.

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