Was ist der Ursprung von Unzucht?

Lesedauer 6 Minuten

Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht.

1Th 4:3 Luther 2017

Wenn wir diesen Vers lesen, dann denken wir ungefähr dies:

Gott möchte, dass wir uns heiligen, indem wir keinen Sex ausserhalb der Ehe oder mit gleichgeschlechtlichen Partnern haben – oder Schlimmeres.

Eine saubere und richtige Auslegung in der entsprechenden Weltanschauung.

Ich möchte zusätzlich eine alternative Übersetzung anfügen:

Gott hat sich schlussendlich dazu entschieden, Euch für unschuldig zu erklären; diese Mitteilung befreit Euch von Unzucht.

1Th 4:3 Mirror

Die alternative Auslegung soll die Auslegung nach Luther nicht auflösen, sondern ein Bedeutungsfeld aufspannen. Was sie sicher nicht heisst, ist, dass ich reingewaschen bin, und jetzt alles darf. Wer dies so liest, macht es sich zu einfach.

Der Vers soll natürlich im Zusammenhang, im Kontext gelesen werden. In beiden Übersetzungen macht der Abschnitt als Ganzes Sinn. Ich fordere den Leser auf, diese Arbeit zu tun.

Eine Randbemerkung: Der Begriff „Unzucht“ hatte nicht immer eine ausschliesslich sexuelle Bedeutung. Die ursprüngliche Bedeutung war „Verstoß gegen Sitte/Anstand“ oder noch allgemeiner „leichteres rechtliches Vergehen/leichter Frevel“ (Grimm: Deutsches Wörterbuch). Die begriffliche Eingrenzung auf die sexuelle Komponente des Begriffs gibt es erst im neuhochdeutschen, also nach Luther, der das Wort in verschiedenen Kontexten verwendet. In diesem Vers allerdings wird damit _porneia_ übersetzt, was jegliche sexuelle Sünde umschreibt. Luther hat also hier bei der Übersetzung den Begriff deutlich verallgemeinert und auch Sünden mit eingeschlossen, die wir heute vielleicht etwas salopp als „weniger gravierend“ klassifizieren.

Zurück zum Vers: Die Handelnden sind in der klassischen Auslegung wir. Gottes Wille wird hier interpretiert als Gottes Erwartungen. Gott erwartet, dass wir ein heiliges Leben führen.

Was aber, wenn Gottes Wille eher als seine Entscheidung mit ihm als Handelndem verstanden werden sollte? Wenn Gott etwas will, und er es umsetzen kann, ohne unsere Souveränität zu verletzen, dann wird er es wohl auch tun. Und es verletzt unsere Souveränität nicht im Geringsten, wenn Gott uns für unschuldig erklärt.

Das Wort Heiligung ist ein Substantiv in diesem Satz. Wir können von der Wortform allein nicht darauf schliessen, wer die Heiligung vornimmt.

Das nächste Wort, das wir untersuchen sollten, ist Unzucht. Unzucht ist im alten Testament ein Bild für Götzenverehrung. Unzucht in unserem menschlichen Verständnis als sexuelle Verfehlung ist ein Ausfluss und ein menschliches Beispiel, eine Metapher der Unzucht im Sinne von Götzenverehrung. Am Anfang steht bei Adam und Eva die Wegwendung von Gott. Damit wird der Mensch in den Mittelpunkt gestellt und somit Götzenverehrung betrieben. Daraus folgt, wie wir noch sehen werden, jede Art von Unzucht. Und dann verwendet Gott dieses Bild wieder, um den Menschen begreiflich zu machen, was sie tun, wenn sie sich von ihm abwenden.

Wir konzentrieren uns gerne auf die Symptome, statt die Wurzel des Problems in Angriff zu nehmen. Ja, es hilft unserem Gewissen und unserem Selbstwert, wenn wir keinen Sex ausserhalb der Ehe haben. Aber es löst das Problem nicht, wenn wir nicht vorher das Grundproblem lösen. Im Gegenteil, die Gefahr besteht, dass wir auf Menschen herabschauen, die nicht so stark sind wie wir, und wir stolz werden auf unsere Reinheit und Heiligkeit.

Es ist so, wie wenn wir Gesetze erlassen, welche bestimmte Dinge unter Strafe stellen, und dann diejenigen strafrechtlich verfolgen, die dagegen verstossen. Damit lösen wir nicht das Grundproblem, sondern machen die Auswüchse weniger schlimm durch Abschreckung und – Rache. Diese Rache nennen wir dann Gerechtigkeit. Ich wundere mich immer wieder, warum Opfer in Kriminalfilmen sich so sehr wünschen, dass die Täter drakonisch bestraft werden. Das bringt keinen Trost, nur Genugtuung und Rache.

Gott selbst kennt uns, und er hat auf unsere Geschichte und unsere Wünsche hin neben dem hierarchischen Stellvertretersystem von Priestern und Tempeln noch ein legales System eingerichtet, dass uns über die Zeit hinweg hilft, in der wir nur durch äusseren Druck das Lebensspendende tun.

Das ist heute noch so. Wir leben oft immer noch nach dem Gesetz und interpretieren die Bibel in diesem Licht. Und dem zu Grunde liegt die eigentliche Sünde.

Wir sind oft immer noch davon überzeugt, dass wir nicht genügen. Wir glauben immer noch, dass wir etwas tun müssen, um Gott zu genügen. So wie Eva glaubte, dass Gott etwas von ihr zurückhielt. Wir versuchen immer noch, aus eigener Kraft die Folgen des Falls zu beseitigen.

Gott hat uns jedoch klar gesagt, dass wir es durch Opfer, Gesetze befolgen, Gehorsam nicht erreichen werden, denn keiner kann es schaffen. Er hat es für uns geschafft.

Wir sind dankbar dafür, und leben weiter wie vorher: wir wollen es aus eigener Kraft erreichen. Nur soll Jesus uns nun helfen, es selbst zu schaffen, statt dass wir annehmen, dass er es bereits vollbracht hat.

Wir versuchen, Jesus in unserem Sinne auf unser Leben anzuwenden. Wir sind nicht bereit, das Geschenk der Heiligung anzunehmen. Könnte das die Unzucht sein, der Götzendienst?

Statt den herrlichen, ewigen Gott anzubeten, beteten sie Götzenbilder an, die vergängliche Menschen darstellten, oder Vögel, Tiere und Schlangen. Deshalb hat Gott sie ihren schamlosen Begierden und unreinen Leidenschaften überlassen, sodass sie untereinander ihre eigenen Körper schändeten.

Römer 1:23-24, siehe auch folgende Verse

Es ist das Ego, das uns Glauben macht, dass wir es besser wissen als Gott. Jesus sagt uns, dass wir eins seien mit dem Vater, so wie er eins sei mit ihm. Kurz gesagt: Gott und ich bin eins. Grammatikalisch fragwürdig, theologisch mehr als korrekt.

Das Ego übrigens ist die Schlange im Paradies. Es ist der Feind.

Unser Fehler ist, dass wir Sünde kategorisieren. Dabei kategorisieren wir Verhalten und Haltungen, aber wir adressieren nicht das Problem.

Nehmen wir die Wahl des Wortes für Sünde. Im Griechischen wurde das Wort im Zusammenhang mit der Jagd verwendet für das Ziel verfehlen. Es hat tiefere Bedeutungen, aber für heute bleibe ich mal auf dieser Ebene.

Eine Art, wie ich das Ziel verfehlen kann, ist, wenn ich gar kein Ziel habe. Daraus werden sich gewisse Verhalten und Haltungen ergeben, die wir im Allgemeinen als Sünde kategorisieren. Doch dahinter liegt die Tatsache, dass ich kein Ziel, keinen Sinn im Leben habe.

Auch hier kehren wir die Sache oft um: wir glauben, dass ein gerechtes, aufrechtes Leben uns Sinn geben wird. Aber der Sinn wurde uns bereits gegeben.

Der Sinn des menschlichen Lebens besteht darin, ein Spiegelbild Gottes zu sein. Und wie Jesus seine Salbung gemäss Epheser 4 auf mehrere Personen und Ämter aufgeteilt hat, so hat Gott einem jeden von uns einen Aspekt seiner selbst gegeben, den es ganz individuell zu reflektieren gilt.

Jesus hat uns das vorgelebt, und er hat diese Berufung vollständig ausgelebt und erfüllt. Wir können wieder in diese Berufung hineingelangen, ja wir sind bereits mitten drin. Gott hat sich entschieden, uns zu heiligen. Wir arbeiten täglich daran, dies zu verstehen und auszuleben. Dies geschieht nicht dadurch, dass wir versuchen, irgendwelchen Gesetzen zu gehorchen, sondern durch das tägliche Wachsen in der Annahme dieser Stellung und Gnade.

Diese Beseitigung des grundlegenden Problems befreit uns davon, weiterhin Götzendienst zu betreiben und aus eigener Kraft durch Gehorsam zu versuchen, uns zu heiligen.

Und was ist mit Sex ausserhalb der Ehe, mit Homosexualität und all den anderen Kategorien sexueller und anderer Sünde, die wir so geschaffen haben über die Jahrhunderte?

Sehen wir doch einfach mal, was Gott anspricht und wir mit seiner Hilfe einfach lassen können oder wollen, nachdem wir doch von ihm geheiligt sind.

Es geht nicht mehr darum, zu genügen, um es in den Himmel zu schaffen. Es geht darum, Gottes Bild zu reflektieren. Da wird vieles automatisch wegfallen, mit anderem werden wir Hilfe brauchen, um es loszuwerden.

Sein Spiegelbild zu sein bringt in uns den Wunsch hervor, das reine Gefäss zu sein, von dem im nächsten Vers die Rede ist.

Die grösste Unzucht, oder besser, ihr Ursprung also ist es, uns selbst in den Mittelpunkt unserer Heiligung zu stellen. Es ist vollbracht, und wen der Sohn frei macht, den macht er richtig frei.

Noch einmal ganz einfach

Für diejenigen, denen dieser Text zu kompliziert oder abstrakt war, hier die ganz einfache Version: Wir brauchen Gottes Rettungsanker, seine Tat, wir brauchen das Kreuz und den Tod und die Auferstehung Jesu als Grundlage, damit unsere Bemühungen, nicht mehr zu sündigen, nicht verpuffen. Wir schaffen es nicht. Und wenn wir es aus eigener Kraft versuchen, stellen wir uns selbst in den Mittelpunkt, und das ist genau das, was Römer 1:23-24 als Ursache für Unzucht beschreibt: Götzendienst, eine Abwendung von Gott. Ein Teufelskreis im wahrsten Sinne des Wortes.

Aus eigener Kraft erreichen wir also nur, dass wir noch mehr unseren Begierden erliegen.

Wenn wir uns aber Gott zuwenden, merken wir, dass er uns bereits vergeben hat und wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind, sondern frei. Wenn unser Ego, unsere alte Natur uns jetzt wieder verführt, haben wir die notwendige Voraussetzung und das Fundament für Erfolg. Die Liebesbeziehung gibt uns die Kraft und den Wunsch, nicht mehr zu sündigen.

Wie sagt es Jeremia (meine sinngemässe Übertragung.): ich gebe Euch einen neuen Bund. Der Alte hatte externe Motivationen in Form eines Gesetzes auf Steintafeln. Im Neuen ist das Gesetz auf Euer Herz geschrieben. Ihr werdet es aus Liebe tun.

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