Seit Erschaffung der Welt haben die Menschen die Erde und den Himmel und alles gesehen, was Gott erschaffen hat, und können daran ihn, den unsichtbaren Gott, in seiner ewigen Macht und seinem göttlichen Wesen klar erkennen. Deshalb haben sie keine Entschuldigung dafür, von Gott nichts gewusst zu haben.
Römer 1:20
Ist das so? Ist Gott in seiner Schöpfung sichtbar? Sichtbar für den, der an ihn glaubt, ist er sicherlich. Aber ist er sichtbar über jeden Zweifel hinaus?
Eine andere Frage: ist es überhaupt wünschbar, dass Gott über jeden Zweifel hinaus sichtbar ist in der Natur?
Wäre Gott beweisbar, wäre Glaube dann noch notwendig?
Nehmen wir Schach als Beispiel. Wenn es einem Computer gelingt, ein zwingendes Schach zu konstruieren, d.h. eine Zugfolge für jede mögliche Position auf dem Brett, die zwingend zum Gewinn des Spiels führen würde, dann wäre Schach kein Spiel der Könige mehr. Es würde auf die Ebene von Tic-Tac-Toe reduziert, wo jemand nur gewinnen kann, wenn der Gegner einen Fehler macht.
Wäre Gott beweisbar, käme dies einem zwingenden Schach gleich. Nur Verschwörungstheoretiker würden ihn ablehnen, einfach weil sie alles ablehnen, was beweisbar richtig ist, und vieles mehr.
Darum wird die Wissenschaft nie einen Beweis für die Existenz Gottes finden. Es wird immer mehr Theorien geben, wie die Welt ohne Gottes Eingreifen entstanden ist. Eine Theorie ist übrigens in der Wissenschaft die bis jetzt beste Erklärung für etwas, welche Gültigkeit hat, bis sie widerlegt wurde. Es ist nicht nur so eine Theorie im landläufigen Sinne.
Muss die Evolutionstheorie stimmen? Nein. Aber die Schöpfungsgeschichte kann auch nicht bewiesen werden, weil plausible Alternativen bestehen.
Es gibt diesen Witz bei Mathematikern, bei dem in einem Beweis als Schritt 2 steht: und hier geschieht ein Wunder. Die Antwort des Professors darauf: hier müssen Sie etwas genauer werden.
Wie steht es jetzt mit Wundern im Alltag: der Glaube an die Existenz Gottes, die Überzeugung, dass alles Gute von Gott kommt, die Aufforderung, dass wir dankbar für Gottes Wirken sein sollen, sowie die Erwartung von Wundern lässt uns immer wieder Dinge als Wunder bezeichnen, die uns geschehen.
Das reicht vom freien Parkplatz vor dem Einkaufszentrum bis hin zur Totenauferstehung.
Ersteres ist ein Affront für viele: sollte sich Gott mehr darum kümmern, dass ich nicht zu weit laufen muss, bis ich meiner Konsumsucht frönen kann, als um den Hunger, die Verfolgung und den Krieg, dem so viele ausgesetzt sind?
Auf der anderen Seite, um beim Beispiel zu bleiben, hat es in der Nähe der Ladentür mehrere Parkplätze, und einige davon sind besetzt von Leuten, die nicht an die Existenz von Gott glauben. Gott lässt also seine Sonne scheinen über Gläubigen und Ungläubigen, oder die Parkplatzvergabe ist kein Wunder.
Alle Arten von Wundern sind schon Menschen widerfahren, die nicht an Gott glaubten, bis hin zur Totenauferstehung.
Warum? Weil Gott sonst beweisbar wäre. Eine empirische Untersuchung würde feststellen, dass der Glaube an den Gott der Christen und nur der zu übernatürlichen Phänomenen führt. Somit wäre zwar nicht die Existenz Gottes bewiesen, aber die Wirksamkeit des Glaubens an ihn, und damit würde jeder vernünftige Mensch glauben.
Zurück zum Beispiel aus der Mathematik, dem Beweis mit dem Wunder in Schritt 2.
Warum sollte ich mit dem Beweis überhaupt beginnen? Ich könnte doch gerade so gut sagen, dass der ganze Beweis ein Wunder sei.
Warum sollte ich die der Formel zugrunde liegende Beobachtung überhaupt untersuchen? Sie könnte doch einfach ein Wunder sein.
Warum sollte ich überhaupt Fragen stellen? Es ist doch einfach alles ein Wunder.
Warum sollte eine Erklärung nicht grundsätzlich falsch sein, weil sie Gott aus der Gleichung nimmt?
Warum sollte Wachstum und Fortschritt nicht einfach den Wundern Gottes überlassen werden, ohne dass wir danach forschen oder suchen?
Und doch sagt Gott, dass es seine Ehre sei, etwas zu verstecken, und unsere, danach zu suchen.
Es kommt auf die Brille an, die wir bei dieser Suche tragen.
Haben wir eine Brille, die hinter allem Gott sieht, dann stehen wir in der Gefahr, keine Fragen mehr zu stellen. Wir haben unsere Erklärung gefunden.
Haben wir eine Brille, die für Gottes Wirken unempfänglich ist, stehen wir in der Gefahr, ihn zu verpassen.
Was also ist eine produktive Herangehensweise an dieses scheinbare Problem?
Zu wissen, dass Gott nicht beweisbar ist, heisst, jede Antwort zu hinterfragen, die die Aussage beinhaltet: und hier geschieht ein Wunder.
Nicht auszuschliessen, dass Gott die ordnende und wachstümliche, ja sogar erhaltende Kraft hinter allem Geschehen ist, und nicht aufzugeben, die Schönheit seiner Schöpfung zu preisen.
Unsere Suche dadurch zu motivieren, diese Schönheit aufzufinden, von dieser Ordnung zu profitieren, an diesem Wachstum aktiv und co-kreativ teilzunehmen.
So werden wir nie stehen bleiben, weil es immer noch mehr zu entdecken gibt, und werden die Ehrfurcht nie verlieren.
Doch was machen wir? Wir begeben uns in einen Kleinkrieg zur Verteidigung unserer Wunder. Sei es die Schöpfung der Physiosphäre, sei es die Evolution der Biosphäre, ja sogar das Wachstum der Noosphäre.
Wir bestehen darauf, dass die Physiosphäre, die physische Welt, in sechs Tagen geschaffen wurde, und möchten dies in Lehrstoff unserer Schulen verankert sehen.
Wir bestehen darauf, dass die Biosphäre, alle Lebewesen, von Gott direkt geschaffen wurden.
Und wir sprechen dem Menschen ab, dass sich sein Bewusstsein weiterentwickelt, Die so genannte Noosphäre beschreibt diese Evolution des menschlichen Bewusstseins und ihr Einfluss auf die Geschichte.
Wir treten in eine Zeit ein, in der sich der Mensch bewusst ist, dass sich alles entwickelt. Er beginnt, diese Entwicklung bewusst mitzugestalten. Bis jetzt war er zwar Handelnder in der Entwicklung, ab jetzt ist er Mitgestalter.
Nicht an dieser Mitgestaltung teilzunehmen, bedeutet, nicht in Gottes Plan weiter zu gehen. Wir sind berufen, mit Christus zu regieren. Regieren heisst aktiv gestalten zum Besten aller Beteiligten.
Wir sind gesetzt mit Christus um zu regieren. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber ihre Reichweite wird erst jetzt allmählich klar.
Nehmen wir unsere Verantwortung wahr, oder verharren wir im alten Muster, dem Versuch, das Unmögliche zu schaffen: Gott zu beweisen?