Er hat die einen als Apostel, die anderen als Propheten, wieder andere als Prediger und schließlich einige als Hirten und Lehrer eingesetzt.
Epheser 4:11
Heute möchte ich eine Geschichte erzählen, die ich selber über die letzten Jahre erlebt habe.
Ich war Mitglied eines apostolischen Netzwerks. Dieses Netzwerk hat vor ca. 24 Jahren einen Auftrag erhalten.
Gott wollte, dass das Netzwerk von einem stark hierarchischen Leitungsmodell auf ein durch ein Team geleitetes Modell umstellte. Als Vorlage sollte der fünffache Dienst verwendet werden, wie er in Epheser 4 beschrieben wird.
Dabei handelt es sich um fünf Persönlichkeiten, die sich nicht nur darin unterscheiden, dass sie unterschiedliche Titel tragen. Sie haben tatsächlich vollständig unterschiedliche, sich ergänzende Persönlichkeitsmerkmale.
Es ist genau diese Ergänzung in der Unterschiedlichkeit, die es ihnen erlaubt, jeden zu erreichen, sich aber auch gegenseitig zu unterstützen und im Zaun zu halten.
Doch warum ein solches neues Modell? Eigentlich war die Gemeinde gar nie dafür gedacht, ein hierarchisches System zu haben. Erst die Übernahme der Gemeinde durch den römischen Staat hat dies zementiert. Seither können wir das aus der Bibel sehr gut rechtfertigen, denn hat nicht Jesus selber Petrus als Leiter der Gemeinde eingesetzt?
Man könnte natürlich auch argumentieren, das Petrus ein Stein ist, und der Fels, auf den die Gemeinde gebaut wird, die Erkenntnis ist, dass Jesus Gottes Sohn ist.
Dann wäre Petrus höchstens noch der Erste, der diese Erkenntnis hatte. Abgesehen natürlich von Maria und Josef, Elisabeth, den Königen, den Hirten, Hanna und Simeon, Johannes dem Täufer, den Jüngern von Johannes dem Täufer, ein paar Besessenen oder Kranken, usw.
Wir könnten dann aber noch wegen der Pfingstrede von einer Hierarchie der Gemeinde sprechen, als Petrus predigte. Aber ist es nicht so, dass alle 12 zusammen aufgestanden sind?
Bleibt die Apostelgeschichte. Es ist die Geschichte des Paulus, eventuell geschrieben als Verteidigungsschrift vor dem Gericht in Rom. Steht er vielleicht deshalb im Mittelpunkt?
Die Briefe des Paulus beschreiben ihn oft als Bittsteller. Er selber beschreibt sich als Mutter, die für ihre Kinder sorgt.
Gleichzeitig lebte Paulus in einer Zeit, in der die Menschheit Moral und Ethik lernte, Ordnung und Regeln, aber auch das Zusammenleben in der grösseren Gemeinschaft, die nicht nur durch Blutsverwandtschaft zusammengehalten werden. Diese Art von Weltanschauung war schon relativ gefestigt, wurde aber immer wieder durch barbarische und tyrannische Rückschläge herausgefordert.
Paulus brachte der Gemeinde eine gewisse Struktur, ging dabei aber in deren Art über das bekannte Modell hinaus, soweit er konnte. Doch seine, und vor allem die nachfolgenden Generationen, haben dies nicht verstanden und eine strenge Hierarchie eingerichtet, welche dann durch das römische Reich gefestigt wurde.
Doch zurück zu meinem ehemaligen Netzwerk. Die ursprüngliche Gemeinde wuchs aus der „Word of Faith“-Bewegung. Diese Bewegung ist dafür bekannt, ein stark auf den Senior Pastor ausgerichtetes Leiterschaftsmodell zu haben. Sie ist nicht ganz so autokratisch, wie das Shepherding Movement es war, aber nicht weit davon entfernt.
Der Leiter dieser Gemeinde also hatte die Vision, dieses steile hierarchische Modell abzuflachen und ein Team im Sinne des fünffachen Dienstes einzusetzen.
Mit dieser Vision gingen sehr viele Prophetien einher. Es ging um geistliche Erweckung, grosse, wirklich grosse Finanzströme, Heilung und mehr.
Ein solcher Umbau einer Leitungsstruktur ist schwierig, da die bestehenden Modelle gerade in traditionellen, konservativen Kulturen schon sehr lange bestehen und mit einer guten theologischen Begründung untermauert werden.
Dies zeigte sich daran, dass unser Netzwerk fast alle Beziehungen verlor und von früheren Freunden geächtet wurde, weil sie sich gegen die gottgegebene Struktur wendeten. Gesalbte Leiter in Form eines sogenannten gesetzten alleinigen Leiters waren die Form, wie Gott die Gemeinde bauen wollte. Alles andere war Häresie.
Der fünffache Dienst wurde von den anderen Gemeinde durchaus anerkannt. Jeweils ein Mitglied des fünffachen Dienstes war als Senior Pastor anzuschauen, meist der Apostel. Die anderen dienten in der zweiten Reihe, oder es gab nur diesen einen, und der Dienst ergänzte sich überregional.
Alle fünf in einem Team zusammenzufassen, mit dem Ziel, die Gemeinde gemeinschaftlich mit geteilter Verantwortung zu leiten, und sogar noch die Titel abzuschaffen – das war Blasphemie. Vor allem das mit dem Titel, denn wie könnte man den Gesalbten so noch die notwendige Ehre erweisen und die Distanz zu den gewöhnlichen Mitgliedern wahren.
Als ich das Netzwerk kennenlernte, war die Vision bereits 7 Jahre alt. Es lief harzig, aber der Hauptleiter war ein sehr charismatischer Typ, der mir die Vision sehr gut verkaufen konnte – und manches im Glauben als schon umgesetzt anpries, was noch weit davon entfernt war.
In der Schweiz werden Gemeinden weit weniger hierarchisch geführt als in Nordamerika. Als ich dem Netzwerk beitrat, fügte ich mich deshalb in eine steilere Hierarchie ein, als ich es gewohnt war, weil ich die Vision teilte und mir erhoffte, dass sie in der Zukunft zu einer flachen Hierarchie und vielleicht in der nächsten Generation zu einer im Prinzip hierarchielosen Gemeindestruktur führen könnte.
Mir war bewusst, dass eine neue Gemeinde, die erste dieses Netzwerks auf einem anderen Kontinent, mit nur einem Ehepaar, das die bisherigen Änderungen durchlebt hatte, erst einmal stark von diesem Ehepaar abhängig sein würde.
Meine Frau und ich wurden von unserer alten Gemeinde ausgesendet, um mit diesem Ehepaar zusammen eine neue Gemeinde zu gründen.
Es sollte ein paar Jahre dauern bis wir in Leiterschaft waren. Nach 10 Jahren wurden wir in die Ältestenschaft eingesetzt und ich wurde als Lehrer im Sinne des fünffachen Dienstes anerkannt. Es schien so, als ob eine gemeinsame Leiterschaft nun langsam möglich wäre.
In Kanada war die ursprüngliche Gemeinde an ein junges Ehepaar übergeben worden und die ehemaligen Teammitglieder hatten jeweils eine eigene Gemeinde übernommen. Natürlich war klar, dass es eine gewisse Zeit dauern würde, bis sie jeweils wieder eigene Leiterschaftsteams gebildet hätten.
Doch die Hälfte der Gemeinden ging ein, ohne das auch nur der Versuch unternommen wurde, andere zu fördern. Im Gegenteil: die Schweizer Gemeinde war die einzige, die Älteste eingesetzt hatte.
Die Kommunikation zwischen den Gemeindeleitern kam ins Stocken. In den regelmässigen Konferenzschaltungen ging es nur noch darum, Erlebnisse auszutauschen zu Krankheitsfällen bei den Mitgliedern oder über das letzte Basketballturnier. Und so wurden die Gespräche eingestellt.
Die Gemeinden wurden alle von Finanzproblemen geplagt, hatten viele kranke Mitglieder, und gleichzeitig eher Mitgliederschwund als explosives, erweckliches Wachstum. Dies wurde damit erklärt, dass der Teufel einen immer im Bereich der jeweiligen Berufung angreift.
CoViD-19, der Lockdown, weitere interne Probleme haben dazu geführt, dass all die Änderungen an der Leiterschaftsstruktur, die noch nicht aufgegeben worden waren, zurückgenommen wurden. Der Leiter des Netzwerks in der einzigen übrig gebliebenen kanadischen Gemeinde und der Pastor in der einzigen nicht-kanadischen Gemeinde haben die Zügel definitiv wieder in die Hand genommen. Abweichler wurden ausgeschlossen oder so weit gebracht, dass sie das Netzwerk verliessen. Ich möchte hier auch offenlegen, dass ich vor die Wahl gestellt wurde, mich entweder zu 100% unter die Leitung des lokalen Pastors zu stellen oder zurückzutreten. Ich bin gegangen.
Warum erzähle ich das alles?
Es geht mir darum, dass Visionen und Prophetien voneinander abhängig sind. Und sie sind abhängig davon, ob der Auftrag Gottes umgesetzt wird oder nicht.
Die Bibel sagt uns, dass Gott Begabungen nicht zurücknimmt. Darum sind Begabungen kein Beweis dafür, dass man auf Kurs ist.
Ich glaube, dass Gott Folgendes vor hatte:
Er suchte eine Gruppe von Pionieren, welche es schaffen würden, eine erste Speerspitze der Gemeinde zu bilden, die sich aus dem traditionellen Verständnis von Leiterschaft, aber auch der entsprechenden Interpretation der Bibel lösen könnte. Sie sollten die Gemeinde reformieren. Ein Wort, dass uns wiederholt gegeben wurde, war, das Gott das, was er vor 500 Jahren in der Schweiz begonnen hätte, zu Ende führen wolle. Vor 500 Jahren begann die Reformation unter anderem mit Zwingli in Zürich.
Er wollte die Gemeinde in die Reife führen, wie es in Epheser 4 steht. Dazu wollte er die Begabungen des fünffachen Dienstes brauchen, aber nicht im hierarchischen oder alttestamentlich priesterlichen Sinne. Es sollte nicht mehr ex-cathedra von der Kanzel verkündigt werden, wie Gott sich ein göttliches Leben vorstellt. Es sollte gemeinschaftlich gelebt und gestaltet werden.
Interessanterweise beschreibt Paulus im ersten Korintherbrief die Gabe der Leitungen, und zwar nicht als eine des fünffachen Dienstes. Die Fünf sind gar nicht als Leiter gedacht, nur war das in der Zeit nach Jesu, einer Zeit, in der Hierarchien und Institutionen Ordnung brachten, noch nicht möglich.
Doch heute ist dies möglich. Schwierig, aber möglich. Es braucht grosses Vertrauen, gegenseitige Unterstützung durch die verschiedensten Gaben, und viel Geduld.
Wäre das in einer Generation zu schaffen? Kaum. Es ist ein Prozess, der wahrscheinlich einige Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Darum würde Gott in kleinen agilen Gruppen und Netzwerken beginnen. Diese könnte er dann als Modelle verwenden, um andere weiterzubringen. So könnten diese ersten Netzwerke relevant werden, und Gott könnte sie auch ausrüsten für ihren Dienst.
Er wüsste, dass jeweils die begabtesten Menschen die Entscheidungen treffen würden. Menschen mit Begabungen im finanziellen Bereich würden finanzielle Entscheide treffen, und nicht Apostel, welche die Entscheidungen aufgrund ihrer Position, nicht ihrer Begabung treffen würden. So würden die Mitglieder in ihrer Individualität und Einzigartigkeit geehrt, geistlich genährt, und könnten die Welt verändern.
Das beschriebene Netzwerk liegt im Sterben. Es besteht noch aus weniger als 40 Personen, verteilt auf zwei Kontinente, in zwei Gemeinden, mit ein paar Zugewandten, die in anderen Gemeinden dienen. Die finanziellen Probleme verschärfen sich, die Mitglieder ziehen sich zurück.
Das Netzwerk hat seinen Auftrag nicht ausgeführt. Es hat versagt und ist überflüssig geworden. Es tut mir im Herzen weh, mit anzuschauen, wie sich die Leiter versteifen, verhärten, in ihren Schützengräben verschanzen und allen anderen die Schuld geben.
Ich habe versagt. Ich habe 17 Jahre lang versucht, diesem Auftrag gerecht zu werden. Ich habe mich jahrelang untergeordnet im Glauben, dass diese Unterordnung mir eines Tages die Reputation des treuen Dieners geben würde, und somit ein bisschen Autorität, um den Auftrag voranzutreiben.
Da ich 12 dieser 17 Jahre lang meine eigene Persönlichkeit verleugnet habe und versuchte, eine andere Person zu werden, es aber nie wirklich schaffte, bin ich mitschuldig am Scheitern des Auftrags. Ich selber habe mich immer wieder torpediert.
Auf der anderen Seite sollte es gar nicht notwendig sein, sich andienen, anbiedern oder verbiegen zu müssen, um Gottes Auftrag auszuführen. Vielleicht war das mein Fehler. Vielleicht aber war ich auch einer, der in den Weinberg geschickt, von den Pächtern aber davongejagt wurde. Ich weiss es nicht. Ich wurde bis jetzt weder gekreuzigt noch getötet, geschlagen noch gejagt.
In einem Jahr wird wohl alles vorbei sein. Vielleicht existiert noch ein unverwüstliches Schärlein, welches irgendwann aussterben wird. Vielleicht wird das Gebäude verkauft und nichts erinnert mehr an die Gemeinde. Vielleicht übernimmt jemand das Gefäss und baut einen neuen Dienst mit einem neuen Auftrag. Aber dieser Auftrag ist tot – für diese Gemeinde. Nicht, weil Gott nicht wollte. Sie wollten nicht.
Schon in der Bibel hatten die meisten Prophetien eine Bedingung. Manchmal wurde sie ausgesprochen, manchmal nicht. Unsere Vision, unsere Prophetien waren mit dem Auftrag verknüpft.
Könnte ich falsch liegen? Ich hoffe es so sehr.
Der Mantel ist immer noch verfügbar. Wer hebt ihn auf?