Gedanken zu Corona

Lesedauer 7 Minuten

Der Mensch ist erwacht in eine Welt, die er nicht verstand, und darum versucht er sie zu deuten.

Carl Gustav Jung

Was ich im Folgenden schreibe, soll kein Angriff auf bestimmte Personen darstellen. Es geht mir darum, eine Auslegeordnung meines eigenen Denkens vorzunehmen und diese anderen anzuvertrauen, um uns in einem Dialog besser zu verstehen und gegebenenfalls an einem Strick zu ziehen, um bessere Lösungen zu finden.

Ich habe mich lange geweigert, irgend etwas zur Situation zu schreiben. Ich möchte nicht den Disput anheizen, sondern den Dialog fördern.

Mein Glaube an die Menschheit

Es entspricht meinen Wesen, anderen Menschen zu vertrauen. Ich gehe davon aus, dass Regierung und Wissenschaft im Grunde das Wohl der anderen suchen, dass jeder auf seine Art das Beste möchte. Es ist mir klar, dass dies nicht immer stimmt, und das Partikularinteressen diesem grundsätzlichen Streben im Wege stehen. Doch bin ich davon überzeugt, dass in einem demokratischen Verfahren auf lange Sicht das Gemeinwohl obsiegt. Vielleicht bin ich naiv.

Ich hasse Mutmassen. Das Wiederholen von Aussagen, die nicht geprüft werden konnten, das Anmassen von Expertentum. Es ist mir klar, dass in solchen Zeiten nach Erklärungen und Sinn gesucht wird, und dass dabei die einfachen Erklärungen, die dem eigenen Weltbild entsprechen, attraktiv erscheinen.

So entstehen aus dem Glauben an Gut und Böse in der Welt im Sinne von zum Beispiel Gerettet und Verloren, gepaart mit einem Weltuntergangsglauben, Verschwörungstheorien, oder in abgeschwächter Form, Widerstand gegen die herrschende Meinung. Da alles immer schlechter wird und in der Welt das Böse obsiegt, muss die Welt bekämpft werden. (Man kann die christlich geprägten Begriffe gerettet, verloren, das Böse, die Welt mit ähnlichen Begriffen für andere Ideologien und Glaubenssysteme ersetzen.)

Ich habe erlebt, wie innert kürzester Zeit die Errungenschaften von 16 Jahren auf den Scheiterhaufen der Geschichte geworfen wurden, weil jemand überzeugt war, dass Corona der Beginn der Endzeit sei. Emotionen, Ängste, Überzeugungen liessen nur noch eine, nämlich seine Interpretation zu, und diese Brille färbte jedes Erlebnis. So wurden harmlose Dinge zu feindlichen Handlungen, Freundschaften geopfert.

Vielleicht bin ich verletzt und möchte im Moment nicht handeln müssen, nicht noch einmal erleben, wie Freundschaften und Fortschritte den Bach hinunter gehen.

Die bisherigen Erfolge

Die Massnahmen machen für mich Sinn. Abstand halten, Hygiene, Masken, und das Vermeiden von Kontakten wo immer möglich zeigen gerade in der Statistik für Grippefälle in der Grippesaison 20/21 ihre Wirksamkeit: die nachgewiesenen Grippefälle im nationalen Sequenzierungsprogramm der Schweiz sanken von ca. 480 im Durchschnitt der letzten Jahre auf 1, die Erkrankungen an Grippe im Allgemeinen folgten dem selben Muster.

Es würde für mich durchaus Sinn machen, wenn die gleichen Massnahmen für Corona eine ähnliche Auswirkung hätten. Vielleicht nicht Faktor 500, aber schon ein Faktor 50 wäre genial. Oder ein Faktor 10.

Ein Beispiel: Ein harter, wirklicher Lockdown mit 24h Ausgangssperre ausser für dringliche Geschäfte wie den Nahrungseinkauf haben in Portugal die Neuansteckungen in wenigen Wochen von über 16’000 auf ca. 500 pro Tag gesenkt.

Sind die Massnahmen perfekt? Wie könnten sie das sein. Wir sind mitten in einer Situation, die wir so seit 100 Jahren nicht mehr hatten. In den hundert Jahren hat sich die Welt aber geöffnet und wurde zum Dorf. Nationales Vorgehen kann nicht mehr die Lösung bringen.

Gegenseitige Verantwortung

Das bringt mich zum Thema Verantwortung: ich bin meines Bruders Hüter. Jesus ist für die gestorben, die sich ihm widersetzten, die nichts von ihm wissen wollten. Wie aber retten wir unseren Nächsten? Ich bin nicht so naiv, dass ich sage, dass wir dies nur tun können, indem wir alles abriegeln. Mir sind die Folgen einer kaputten Wirtschaft durchaus auch bewusst.

Es geht um das richtige Mass. Ich weiss, dass es sehr hart ist für gewisse Branchen, speziell für diejenigen, welche von den Massnahmen betroffen sind, ohne dafür Unterstützung zu erhalten. Ich selber habe ein Coachingunternehmen gegründet, welches zu Beginn von Corona noch nicht etabliert genug war, um treue Kunden und genug Mund-zu-Mund-Propaganda zu haben, um zu überstehen. Mein Gewinn und Lohn sind bei Null. Da das Unternehmen aber vor Corona keinen Umsatz generierte, erhalte ich auch keine Staatshilfe.

Zukunftsvision

Trotzdem glaube ich, dass wir an einem Punkt stehen, an dem die heutige Marktwirtschaft – ein für ca. 200 Jahre sehr erfolgreiches Modell, welches die Armut auf der Erde regelrecht dezimiert hat – überdacht werden muss.

Nehmen wir an, dass das Virus natürliche Übertragungswege genommen hat: von der Fledermaus auf einen Zwischenwirt und dann auf den Menschen. Dann ist das geschehen, weil wir in Lebensräume vorgedrungen sind, die vorher vom Menschen unberührt waren. Ähnliches kann geschehen durch das Schmelzen der Pole und Gletscher, das Auftauen der Tundra.

Nehmen wir an, dass es ein Labor war, das den natürlichen Virus mit gentechnischen Methoden (Züchten auf Gewebe und Zwischenwirten, um durch schnelle Reproduktion schnelle Mutationen zu provozieren, um zum Beispiel Impfstoffe oder biologische Waffen herzustellen) verändert hat, und ein infizierter Mitarbeiter löste all das aus. Dann waren es amerikanische Gesetzgebung und menschlicher Übermut, die zur Katastrophe führten, und wir müssten die Genforschung überdenken.

Nehmen wir an, dass die starke Vernetzung der Welt durch Menschenströme zur Verbreitung des Virus beigetragen hat, wie es schon nachgewiesenermassen bei der Spanischen Grippe der Fall war, und was hier durchaus auch angenommen werden muss (Stichwort britische, brasilianische, indische Mutation), dann müssten wir die globale Vernetzung überdenken und wieder lokaler produzieren, arbeiten, leben, Ferien machen.

Statt sich zu foutieren, ob ich mich jetzt in ein Restaurant setzen darf, um einen Jass zu klopfen und einen Kafi Schnaps zu trinken oder ein Schnitzel zu essen, statt eine möglichst rasche Rückkehr zur Normalität von Vorher, zur Spass- und Konsumgesellschaft zu fordern, wäre es doch sinnvoll, sich Gedanken zur Zukunft zu machen.

Statt die Politik in einen Kleinkrieg um Einzelmassnahmen zu verstricken, könnten wir einen Strukturwandel vorantreiben.

Deutschland reagierte auf die Energiekrise im Kohlengeschäft durch Subventionierung der Arbeitsstellen. Jede Arbeitsstelle in der Kohlenindustrie wurde mit dem vierfachen Betrag des Lohnes dieses Kumpels subventioniert und es wurden sogar neue Kumpel in einem Mass ausgebildet, wie sie die Industrie nie brauchen würde.

Kalifornien erlebte ein Sterben der Landwirtschaft und unternahm sozusagen nichts. Die Initiative einiger Weniger schuf in kürzester Zeit das Silikon Valley, mit Jobs vom Hamburgerwender bis zum Professor.

Der Weg Kaliforniens war kurz, schmerzvoll und äusserst erfolgreich, während der Weg Deutschlands die Strukturreform verhinderte.

Meiner Meinung nach sind wir auf dem besten Weg, diese Krise mit dem deutschen Modell zu lösen.

Langsamer und schneller Tod

Wir wissen seit Jahrzehnten, dass sich das Klima ändert, dass sich die Erde erwärmt, und dass wir in ein Problem laufen. Es ist ein schleichender, unsichtbarer Tod, der gut angezweifelt, ja geleugnet werden kann und für den die Lösungen einfach in die Zukunft verschoben werden können. Ich vergleiche es mit meiner Diagnose Prostatakrebs. Ich konnte die Anzeichen und ersten Diagnosen leicht ignorieren, bis es fast zu spät war, und an der Lösung doktere ich jetzt seit fast 5 Jahren.

Die Pandemie aber ist ein anderer Tod. Ich vergleiche sie mit der Lungenembolie, die ich als Folge des Krebses erlitt. Schnell und potentiell sofort tödlich.

Ich sehe die Pandemie als einen lauten Alarm, nachdem wir auf den sanften Weckruf der Klimaveränderung nicht reagiert haben. Es ist Zeit, als Menschheit einen Schritt vorwärts zu machen, einen Paradigmawechsel vorzunehmen.

Ein solcher Paradigmawechsel wird nur geschehen, wenn die Lebensumstände ihn erzwingen, denn wir hassen Veränderung. Die Lebensumstände sind da. Reagieren wir? Oder geht es uns um unser Recht, ins Kino und an Konzerte zu gehen?

Ich könnte jetzt eine vollständige Auflösung der Massnahmen fordern, damit die Lebensumstände den notwendigen Druck erzeugen könnten durch die Verschlimmerung der Situation, die meiner Meinung nach darauf folgen würde. Aber das wäre zynisch.

Ich verzichte lieber auf ein paar Veranstaltungen, halte noch ein paar Jahre der Veränderung durch.

Motivation

Bin ich einverstanden mit den Massnahmen? Nein, denn sie sind auch darauf ausgerichtet, den Status Quo zu erhalten. Aber solange kein Wille für eine aktive Gestaltung der Zukunft erkennbar ist, sondern die Massnahmen sogar angefochten werden, um möglichst schnell wieder normales Leben spielen zu dürfen, sind sie ein notwendiges Übel.

Nicht jeder Skeptiker handelt aus den beschriebenen Gründen, und ich achte jeden, der eine Zukunftsvision aufzeigen kann und seine Skepsis daraus herleitet. Mit diesen Menschen würde ich gerne in einen Dialog treten. Ich bin überzeugt, das globales Denken und lokales Handeln uns helfen, diese Welt zu verändern.

Impfungen

Noch ein Wort zu den Impfungen. Es stimmt, wir haben eine lange Erfahrung mit Impfungen. Die Impfstoffe, die jetzt zum Einsatz kommen, sind allerdings die ersten ihrer Art und an vielen Bevölkerungsgruppen nicht getestet. Es sind die ersten Impfstoffe, die die körpereigenen Zellen verwenden, um Antigene gegen das Virus zu produzieren.

Der Vorteil dieser Impfstoffe ist, dass sie sehr schnell hergestellt werden können, denn der Träger ist immer derselbe. Bei klassischen Impfstoffen muss jedesmal ausserhalb der Körpers ein Antigen in genügender Zahl produziert werden. Der Nachteil: wir wissen gar nichts über die Langzeitfolgen.

Hier werden also zwei Risiken gegeneinander ausgespielt: die unbekannten Folgen von Corona gegen die unbekannten Folgen der Impfungen.

Ebenso ergibt sich ein Risiko wegen des Zeitpunkts der Impfungen: werden Impfungen, wie bei der Grippe, vor Ausbruch eingesetzt, dann werden die Viren daran gehindert, in grosser Zahl vorhanden zu sein. Dies sind sie jetzt aber schon, und so wächst das Risiko, dass Mutationen, welche den Impfstoff teilweise umgehen, sich besser und schneller verbreiten können, einfach weil sehr viele Viren potentiell sehr viele Mutationen erfahren können. Die Welt ist sozusagen eine Petrischale, in der wir die Viren mit der Impfung einem gezielten Evolutionsdruck aussetzen.

Dieser wird dadurch verstärkt, dass das Antigen, wie es in den Impfstoffen eingesetzt wird, nur ein Merkmal des Virus kopiert und den Körper anregt, genau für dieses eine Merkmal Antikörper zu generieren. Eine Mutation dieses einen Merkmals kann also bereits genügen, um die Impfstoffe zu umgehen.

Allerdings erlauben die neuen Impfstoffe, schnell darauf zu reagieren. Das würde dann aber bedeuten, dass wir mehrfach geimpft werden müssten für die neuen Varianten, mit den oben beschriebenen unbekannten Langzeitrisiken.

Wir sind also bereit, die Welt in ein Versuchslabor zu verwandeln, mit dem Ziel, so schnell wie möglich wieder zum Normalzustand zurückzukehren. Bereits ist ein Siebtel der Weltbevölkerung mindestens einmal geimpft worden. Eine solche Medikamentenstudie wurde noch nie durchgeführt.

Die Chance

Die Pandemie ist eine Chance, wenn wir genügend Geduld und Veränderungswillen aufbringen.

Ist das Utopie? Sind meine Annahmen falsch? Überschätze ich die Menschheit? Unterstelle ich falsche Motive? Wahrscheinlich ist all das wahr bis zu einem gewissen Grad, denn ich kenne die Lösungen nicht. Darum brauche ich Euch.

Beitrag veröffentlicht

in

von