Das Siegel Gottes

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Da wir also von Gottes Geschlecht sind, dürfen wir nicht denken, das Göttliche sei vergleichbar mit etwas aus Gold oder Silber oder Stein, einem Gebilde menschlicher Kunst und Erfindungsgabe.

Apostelgeschichte 17:29

Heute möchte ich etwas über die Zeichen, die Siegel sagen, die in der Offenbarung auf die Stirn bzw. Stirn und Hand gezeichnet werden. Sind sie das, was wir so landläufig denken?

Natürlich setze ich hier voraus, dass der Schreiber der Offenbarung sowohl hebräisch dachte als auch das alte Testament kannte. Sicher kein zu hoher Anspruch.

Das Wort für Zeichen im alten Testament ist tāw. Es bedeutet auch Unterschrift. Hier zwei Verse dazu:

Und der HERR sprach zu ihm: Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem und mache ein Zeichen (tāw) auf die Stirn der Leute, die seufzen und jammern über all die Gräuel, die in ihrer Mitte verübt werden!

Hesekiel 9:4

Ach, hätte ich doch einen, der mich anhört! Hier ist meine Unterschrift (tāw): Der Allmächtige wird mir antworten. Er wird auch für die Anklageschrift meines Gegners eine Antwort haben.

Hiob 31:35

Beginnen wir mit dem Ort, an den das Zeichen gemacht wird. In allen Fällen ist es die Stirn, in einem zusätzlich die Hand. Das gibt uns erste Hinweise darauf, was damit gemeint sein könnte.

Die zweite Bedeutung des Wortes – Unterschrift – unterstreicht dies. Und keine Angst, ich werde gleich sagen, was uns das Bild zeigen möchte.

Es gibt einen Mann aus der Geschichte Amerikas, der irgendwie wohl eine unbekannte Berühmtheit wurde: John Hancock. Kaum einer weiss, wer er war, aber wenn es darum geht, etwas zu unterschreiben, wird immer wieder diese Floskel verwendet:

I am going to give my John Hancock.

John Hancock war der erste, der die Unabhängigkeitserklärung unterschrieb. Er bestätigte damit, dass er sich mit dem Gedankengut der Unabhängigkeitserklärung identifizierte. Genau so, wie sich Hiob mit seinen eigenen Ausführungen vor Vers 31:35 identifizierte.

Hiob rief also aus:

Ach, würde mir doch jemand antworten, jetzt, wo ich alles gesagt habe, was ich denke. Und ja, der Allmächtige wird mir antworten, und nicht nur mir: er wird auch eine Antwort auf die Gedanken meines Gegners haben.

Hiob 31:35, freie Übertragung

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: das Zeichen bezeichnet das Gedankengut, das Denken, die Überzeugungen dessen, der versiegelt wird.

Ein Siegel auf die Stirn geht also einher mit der Veränderung des Denkens, wie wir sie in Römer 12:2 sehen.

Was aber ist das Siegel auf der Hand? Es bezeichnet unser Handeln, welches von diesem Denken fliesst.

Das Siegel Gottes ist demnach kein Tattoo, kein Kreuz auf der Stirn, und das Zeichen des Biestes keine Spritze, aber auch kein angebrannter Ysop, der beim grossen Markt in Rom verwendet wurde, um diejenigen zu kennzeichnen, die Merkur geopfert und nun zum Handel zugelassen waren.

Es ist ein neues Denken.

Dieses neue Denken ist nicht das Resultat einer Entscheidung, eines einmaligen Akts. Es ist die Arbeit, die Gott mit uns macht, auf die wir uns einlassen oder nicht. Es ist das Wachstum, welches wir auch in unserem Denken durchlaufen.

Als ich aber ein Mann war, tat ich alles ab, was kindisch war, aber ich behielt meine kindliche Fähigkeit, offen zu sein für Neues, zu wachsen, neugierig zu sein. Ich wurde zum Kind, ohne kindisch zu sein.

Was ist kindisch? Kindisch ist es, wenn wir behaupten, etwas definitiv zu wissen oder zu können, am Ziel angelangt zu sein, nichts mehr dazulernen zu können. Kindisch ist es, wenn wir trotzig sind und zurückzahlen, was uns angetan wurde. Kindisch ist Schmollen, Tratschen, Grimassen schneiden. Kindisch ist ein Synonym für unreif.

Eine Dimension des neuen Denkens also ist es, reif werden zu wollen. Aber das ist noch lange nicht alles.

Paulus zeigt uns auf, dass der grosse Unterschied zwischen altem und neuem Bund ist, wie wir Gott sehen und uns ihm nähern. Während der alte Bund auf Regeln und Gesetzen aufgebaut ist, die wir befolgen müssen, um dazuzugehören, ist der neue Bund auf Gnade aufgebaut.

Jesus selbst reduziert die Gesetze auf zwei: Liebe Gott, und liebe Deinen Nächsten und Dich selbst. Liebe allerdings kann nicht befohlen werden, sie ist freiwillig. Liebe ist gerade kein Gesetz, sondern ein Geschenk.

Wenden wir das alte Denken auf den neuen Bund an, dann befolgen wir weiterhin alle Gesetze – oder mindestens die Teilmenge davon, für die wir keine Ausrede gefunden haben, oder die das neue Testament nicht ausdrücklich ausschliesst.

Wir kleiden uns in Mischgewebe und kochen Rahmschnitzel. Darauf zu verzichten, wäre gesetzlich, nicht war?

Aber wir haben gemeinde-spezifische neue Regeln, was zu tun ist, um dazuzugehören. Wir sollen z.B. bei jeder Versammlung dabei sein, uns korrekt kleiden, keine weltliche Musik hören, keine Filme anschauen, die nicht für Kinder freigegeben sind. Wir müssen aufpassen, was wir lesen, manchmal dürfen wir keinen Alkohol trinken. Und wir dürfen keine abweichende Lehrmeinung mit anderen Gemeindemitgliedern teilen.

Das Denken hat sich nicht geändert, nur der Satz von Regeln. Deren Nachteil ist sogar, dass sie in der Bibel nicht vorkommen, sondern theologische Ableitungen der Interpretationen unserer Pastoren sind. Oder sogar nur auf den Schwächen und Versuchungen unserer Pastoren beruhen, vor denen sie uns schützen zu müssen meinen.

Das sind aber nur die Kleinigkeiten, mit denen sich diejenigen herumschlagen müssen, die grundsätzlich schon akzeptabel sind für die Gemeinde. Manche Leute sind ohne eine Generalüberholung nicht einmal zugelassen. Ich denke an LGBTQIA+.

Das neue Denken ist anders. Es basiert auf Gnade und Liebe, auf Annahme und Vergebung. Ohne danach wieder ein Reglement auszupacken.

Unser Denken verändert sich ständig, sofern wir das zulassen. Natürlich können wir zu jedem Zeitpunkt den Prozess verlassen, auf Stur schalten, und nicht mehr Neues zulassen. Die Antwort des Paulus darauf ist, das Kindische loszulassen und unser Denken sogar aktiv zu verändern.

Gott schenkt uns sich ändernde Lebensumstände, die es immer wieder notwendig machen, dass wir eine neue Weltanschauung finden. Ein Kleinkind in der behüteten Umgebung seines familiären Zuhauses denkt anders als ein Kind auf dem Spielplatz, herausgefordert von anderen Kindern. In der Schule denken wir anders als in der Lehre oder im Berufsleben. Leider hören wir aber meist hier auf, unser Weltbild zu verändern.

Auf äussere Veränderungen kann ich kindisch oder kindlich reagieren. Entweder weigere ich mich kindisch trotzig, oder ich wachse mit kindlicher Neugierde am Neuen.

Für mich bedeutet das Siegel Gottes auf der Stirn, ein offenes, lernbereites, veränderungswilliges Denken zu bewahren und in Einklang mit Gott zu reifen.

Das Siegel des Biestes hingegen ist, das Neue abzulehnen, sich der Veränderung zu widersetzen, unreif, gesetzlich zu bleiben, die Neugier zu verlieren, und entsprechend zu handeln.

Im siebten Kapitel der Offenbarung werden die 12 Stämme Israels aufgezählt, die versiegelt wurden. Die Namen, welche genannte werden, und die Reihenfolge sind interessant. Der Name, der nicht genannt wird, ist Dan. Kein Richter. Ersetzt wird er durch Manasse. Manasse heisst vergessen lassen. Gott vergisst unsere Sünden, und er lässt uns unsere Sünden wie diejenigen der anderen vergessen.

Es gibt noch viele Aspekte des neuen Denkens, und es hört nie auf. Doch für heute belassen wir es dabei.

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