Was ist ein Lehrer?

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Ich habe schon ein paar Mal zum Amt des Lehrers geschrieben, wie es uns in Eph 4 und 1Ko 12 begegnet.

Ich glaube, dass es die verschiedensten Lehrer gibt. Sie unterscheiden sich in ein paar Dimensionen, wobei Du die Lehrer auf dem ganzen Spektrum finden kannst.

Ein Punkt, der mir heute auffällt: Wir wählen uns die Lehrer, die sagen, was wir hören möchten, wie die Bibel es vorausgesagt hat. Nur geschieht dies auf zum Teil unerwartete Art und Weise.

Wir wählen uns Lehrer, die unsere eigene Weltanschauung bestätigen. In vielen Gemeinden wollen die Menschen, dass Sünde und Hölle gepredigt werden. Natürlich bezieht man diese Themen nicht auf sich selbst, sondern auf den anderen, der das hören muss. Darum ist es wichtig, dass es angesprochen wird.

In anderen Gemeinden sprechen Lehrer über Inklusion. Wiederum ist es das, was die Menschen in der Gemeinde hören möchten, wenigsten nach einer Weile. Bis dann sind nämlich alle gegangen, die es anders sehen.

Das zeigt mir aber, dass es uns bei den Lehrern vor allem um den Inhalt geht. Und beim Inhalt geht es darum, dass uns Fakten präsentiert werden. Fakten allerdings, die unseren vorgefassten Meinungen und Prägungen entsprechen und uns nur gelegentlich und nur ein wenig herausfordern.

Dies hat damit zu tun, dass wir zum grössten Teil von äusseren Quellen abhängig sind, aber unsere angenommene Eigenständigkeit nicht verlieren möchten.

Was heisst das?

Kaum jemand ist sich bewusst, dass seine persönlichen Werte und sein Wissen hauptsächlich auf mimetischen Lernen beruht, also darauf, andere zu imitieren.

Was wir als erstes über ein Thema lernen, oder was wir nach einer persönlichen Krise als Grundlage akzeptieren – all das kommt im Normalfall von einer externen Quelle. Jemand sagt oder zeigt uns, was wahr ist.

An diesen Grundlagen messen wir neue Informationen und nehmen sie entweder an oder lehnen sie ab.

Ein wunderbares Beispiel für dieses Verhalten ist unsere Art, uns der Bibel und Gott zu nähern. Wir erleben Gott als Wesen ausserhalb, also als externe Quelle, und wir schreiben alles Gute der Leitung des Heiligen Geistes oder der Bibel zu, wiederum externe Quellen.

Wir wenden uns gegen die griechische Sophia, akzeptieren aber die griechischen Musen. Wir sprechen dem Menschen ab, sich aus sich selbst heraus richtig zu entscheiden, sondern sehen Kreativität, Innovation, Offenbarung als vom Heiligen Geist eingegeben, genau so wie ein griechischer Künstler oder Philosoph die Quelle seiner guten Gedanken im Wirken einer Muse empfand.

Zusätzlich sind wir überzeugt, dass dieser Prozess der Inspiration bei anderen besser sein muss, weil wir bei uns selber feststellen, dass wir darin nicht sehr geübt sind – oder wir wollen es gar nicht, weil es zu viel Arbeit bedeuten würde. Daher lieben wir Lehrer, die uns sagen, was wir tun müssen, solange sie nur unsere Ohren kitzeln und nicht zu viel neues Gedankengut von uns verlangen.

Ein Mensch, der überzeugt ist, dass er sich selber foltern muss, um Busse zu erlangen, möchte oft keinen Lehrer, der ihm Gnade predigt. Das würde nämlich bedeuten, dass er sein Denken ändern müsste.

Darum die Lehrer, die uns bestätigen, auch wenn es für Aussenstehende nicht so aussieht.

Diese Ansicht eines Lehrers ist kulturell verankert. Schon unsere Schulen funktionieren so. Basierend auf dem preussisch-englischen Vorbild von vor 200 Jahren haben sie sich wenig verändert. Es gibt keine Körperstrafe mehr, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten üblich war. Aber es geht immer noch darum, Wissen zu vermitteln.

Das Ziel der Schulen ist es, vergleichbar ausgebildete, gehorsame und produktiv einsetzbare Arbeiter und Beamte heran zu formen, genau wie vor 200 Jahren.

Stillsitzen, in Fächer unterteilter Stoff, einen enormen Lehrplan, gleich schnelle Ausbildung basierend auf den fast langsamsten Schülern, Kasernen gleichende Schulhäuser und der immer grössere Aufwand, die schlechtesten und manchmal auch die besten Schüler abzuholen, mit Zusatzstunden, mehr Lehrpersonal, mehr Medikamenten.

Zum Glück kommen Medikamente in der Gemeinde noch nicht zum Einsatz.

Was aber soll ein Lehrer?

Nach Eph 4 geht es darum, andere in die Reife zu führen. Reife ist, eigenständig denken, eigene Entscheidungen fällen zu können, und all dies verantwortungsvoll.

Ein Lehrer wird also Methoden lehren und nicht Inhalte. Er wird Inhalte verwenden, um den Menschen die Methoden üben zu lassen.

Es geht also nicht darum, was wahr ist, sondern wie man Wahrheit erkennt. Es geht nicht darum, Wissen anzuhäufen, sondern wie Wissen und Erkenntnis erlangt wird. Es geht nicht darum, zu erklären, welche Regeln in einer Beziehung zu Jesus gelten, sondern wie man eine individuelle Beziehung zu Jesus gestaltet.

Vor allem geht es darum, einem jeden Einzelnen zu helfen, in seine Identität und Bestimmung zu kommen. Nicht durch Vorbeten, was unsere Identität sei, denn neben den allgemeinen Teilen ist diese doch sehr individuell, denn Gott hat uns einzigartig geschaffen.

Fragen, Dialoge, Begleitung, kleine Gruppen, Projektarbeit, Mentoring – das sind heute Stichworte wahrer Lehrer.

Ein Lehrer zu Luthers Zeiten musste noch viel mehr Fakten weitergeben, denn kaum jemand konnte lesen, und die Prägung mit dem katholischen Gedankengut war sehr stark.

Heute ist die Prägung mit dem Gedankengut, dass externe Quellen wie Pastoren, Kommentare und Predigten und das allgemeine Verständnis der Bibel, wie es seit Jahrhunderten besteht, ein Regelwerk für eine Beziehung zu Gott, eine Verfassung für das Königreich, und einen Zugangsschlüssel zum Himmel bilden, mindestens so stark.

Ein Lehrer hat also die primäre Aufgabe, dem Menschen zu helfen, eine eigenständige Beziehung zu Gott zu finden, die Bibel selbständig auslegen zu können, auch entgegen der gültigen Lehrmeinung, und widersprüchliche Meinungen problemlos nebeneinander stehen lassen zu können.

Das wichtigste Werkzeug eines Lehrers ist nicht der Rotstift, sondern die Frage.

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