Wie wir zu Gott kommen

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Ich sage euch aber.

Matthäus 5:28

Jesus zeigt in der Bergpredigt eines seiner Muster auf, wie er lehrt. Er sagt den Menschen, wie sie die Schrift auslegen, um sie dann zu korrigieren. Ihr sagt …, ich aber sage Euch.

Hat Jesus dieses Muster auch an anderen Orten verwendet, ohne uns explizit darauf aufmerksam zu machen? Hat er darauf vertraut, dass sein bibelfestes Publikum die Parallelen kennt und erkennt? Ich bin davon überzeugt.

Salomo hält bei der Einweihung des Tempels eine Predigt. Dort zeigt er uns auf, wie wir zu Gott zurückkommen.

Wenn sie gegen dich sündigen – denn welcher Mensch wäre ohne Sünde? –, dann wirst du zornig sein über sie und sie ihren Feinden ausliefern, die sie in ein fremdes Land verschleppen, es sei nah oder fern. Doch vielleicht wenden sie sich in ihrem Exil voller Reue wieder zu dir und sagen: ›Wir haben gesündigt, wir haben Böses getan und schlecht gehandelt.‹ Wenn sie sich dann von ganzem Herzen und von ganzer Seele im Land ihrer Feinde, die sie gefangen nahmen, wieder dir zuwenden und zu dem Land hingewandt beten, das du ihren Vorfahren geschenkt hast, und zu dieser Stadt, die du erwählt hast, und zu diesem Haus, das ich zur Ehre deines Namens gebaut habe, dann höre ihre Gebete im Himmel, wo du wohnst. Verhilf ihnen zu ihrem Recht und vergib deinem Volk, das gegen dich gesündigt hat und dir untreu war. ... Lass deine Augen für die Bitten deines Dieners ... offen sein.

1Kö 8:46-50.52

Das ist unsere Theologie in einer einzigen Predigt zusammengefasst:

  • Wir sind alle Sünder und haben gesündigt, denn wir können nicht anders.
  • Darum ist Gott zornig und überlässt uns dem Feind.
  • Doch wenn wir uns bekehren, Busse tun, und uns ihm zuwenden (Neutestamentlich: das Werk des Sohnes annehmen), und in die Gemeinde (das Haus, das er erbaut hat) gehen,
  • dann erhört er unsere Gebete und vergibt uns.
  • Lass mich Dein Diener sein und Gnade erfahren, Herr.

Das ist die frohe Botschaft, die wir verkünden.

Und dann taucht Jesus auf. Er erzählt das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es hat sehr viele Parallelen zu der Geschichte oben. Der auffallendste Unterschied ist, dass Jesus über Individuen spricht, Salomo aber über das ganze Volk.

Das ist allerdings gar kein Unterschied, wurden doch Individuen zur Zeit Jesu als Repräsentanten des Ganzen verstanden, da das heutige Verständnis eines Individuums noch nicht geboren war.

So steht das Volk bei Salomo auch für den einzelnen Sünder, die Söhne bei Jesu auch für die Menschheit.

Wie sieht nun die Geschichte aus, die Jesus uns erzählt:

Ein Sohn will seine eigenen Wege gehen und verlangt daher sein Erbe vom Vater. Der ist nicht zornig über dieses Ansinnen, sondern teilt sein Vermögen auf und lässt den Sohn noch bei sich wohnen, bis er seinen Anteil zu Geld gemacht hat.

Der Sohn geht freiwillig in ein fremdes Land und verprasst sein Erbe.

Dort kommt er zu sich selbst und entschliesst sich, seinen Vater um Vergebung und eine Anstellung als Diener zu bitten.

Der Vater geht auf sein Ansinnen überhaupt nicht ein. Er freut sich einfach, dass sein Sohn zurück ist, zeigt ihm, dass er immer noch Sohn ist, und feiert ein Fest.

Der ältere Sohn war auf dem Feld, und wurde zornig, als er erfuhr, dass der Vater seinen Bruder so ohne grosses Trara hereingelassen hat und ihn sogar feiert. Er bleibt draussen, ist also auch ferne, weil seine Massstäbe und religiösen Regeln dem Handeln des Vaters widersprechen, der Vater also in seinen Augen unverzeihliche Kompromisse eingeht.

Der Vater zeigt dem Älteren, dass ihm immer alles gehörte, was der Vater hatte, der Vater also eigentlich nie fern war. Und doch hatte sich der Ältere wie ein Diener benommen. Nach Lukas 15:11-32.

Legen wir das mit der Methode „Ihr sagt …, ich aber sage Euch“ aus.

Ihr sagt, dass Gott ist, wie Salomo es beschrieb. Dass er zornig auf Euch Sünder ist und Ihr ihn beschwichtigen müsst, damit Ihr wenigstens seine Diener sein könnt.

Ihr sagt, mit den Pharisäern, dass es Busse braucht und Wiederherstellung, damit Ihr wenigstens Gottes Diener sein könnt, und dass Gott keine Kompromisse macht in seiner Gerechtigkeit.

Ich aber sage Euch, dass der Vater Euch schweren Herzens ziehen liess, denn Liebe hält nicht zurück. Es wäre kontraproduktiv gewesen, Euch aufzuhalten, als Ihr gehen wolltet. Seither aber wartet der Vater auf Euch, darauf, dass Ihr aus der Illusion erwacht, dass Euch nicht alles gehört, was dem Vater gehört und Ihr seine Kinder seid. Er nimmt Euch auf, ohne Fragen zu stellen, bedingungslos.

Paulus hat das erkannt. Er nennt uns Kinder des Lichts, die nicht schlafen, und die anderen Kinder der Dunkelheit, die schlafen. Und dann sagt er:

Er starb für uns, damit wir, ob wir nun wachen oder schlafen, mit ihm leben.

1. Thes 5:10

Es kommt nicht darauf an, ob wir schlafen oder wachen, wir leben mit ihm.

Ist das das echte Evangelium? Wir kommen nicht zu ihm durch Busse und Umkehr, sondern waren nie fern? Erwachen heisst nicht, zu ihm zu kommen als Diener und ewiger Anbeter. Erwachen heisst sich bewusst zu werden, dass wir ihn nie verlassen haben – und er uns auch nicht. Wir sind seine Söhne.

Eine kleine chassidische Erzählung dazu:

Es war ein König mit einem wunderbaren Königreich ohne Mangel. Doch das Getreide war verseucht, und es liess die Bewohner vergessen, wer sie waren und wer ihr König war. Der König fragte seine Berater, was er tun solle. "Iss von dem Getreide", sagten sie. "Dann wirst Du zwar auch vergessen, wer Du bist. Darum mach zuerst ein Zeichen auf Deine Stirn. Wenn Du es siehst, nachdem Du alles vergessen hast, wirst Du Dich auf die Suche machen, wie es da hin kam. Und wenn Du es weisst, kannst Du Deinen Untertanen helfen, dasselbe herauszufinden."

Genau das hat Jesus getan. Er wurde Mensch, hatte jedoch das Zeichen seiner Geburt, die Prophetien, die Zeugnisse z.B. seiner Eltern. Er wuchs, er suchte, er fand, und zeigte uns, wie wir finden können. Und das wir sind wie er.

Was ist nun der Zweck davon, wach zu sein? Es erlaubt mir, ohne Angst und Sorgen zu leben. Und es bringt mich in die Position, anderen ein Leben in dieser Ruhe zu ermöglichen. Ein Leben zu Hause beim Vater bei vollem Bewusstsein.

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